Was braucht man eigentlich wirklich? In der Komödie von und mit Florian David Fitz gehen zwei Kumpels eine folgenreiche Wette ein.
Florian David Fitz stammt aus einer Künstler- und Gastronomenfamilie. Irgendetwas Künstlerisches wolle er später mal machen, das wusste er schon sehr früh. Er studierte in Boston Schauspiel und Gesang und tourte später mit der Rocky Horror Show durch Europa. Auf der Leinwand war er u. a. in „Männerherzen“, „Die Hartmanns“, „Vincent will Meer“, „Kästner und der kleine Dienstag“, „Der geilste Tag“ oder aktuell „Der Vorname“ zu sehen. Jetzt kommt sein neuer Film „100 Dinge“ in die Kinos: Zwei Freunde schließen eine Wette ab, ob sie es schaffen, 100 Tage lang auf materielle Dinge zu verzichten.
Laut Statistik besitzt heute jeder Deutsche 10 000 Dinge. In Ihrem neuen Film „100 Dinge“ geht es um Glück und Konsum. Was hat Sie an dem Thema gereizt?
Unser Wirtschaftssystem hat in den letzten 50 Jahren mehr Menschen in unserem Land zu Wohlstand gebracht als jemals zuvor in der Geschichte. Glücklicher sind sie deshalb nicht. Das fand ich interessant. Wir leben in einem System, dass vom Glücksversprechen lebt. Einem Versprechen, das besagt, dass jeder alles haben kann, wenn er nur hart genug dafür arbeitet. Aber der Punkt ist doch der, dass, wenn die Leute wirklich glücklich wären, mit dem was sie haben, dann gäbe es keinen Konsum, dann würde der Laden nicht mehr laufen und es gäbe keinen Kapitalismus mehr. Wir haben ein System, das etwas verspricht, was sich aber nie einstellen darf. Das ist paradox.
Ist der Kapitalismus in Gefahr?
Das glaube ich nicht. Der Mensch ist per se so gestrickt, dass er immer mehr haben will.
Warum haben Sie aus Ihrer Auseinandersetzung mit der Konsumwelt eine Komödie entwickelt?
Eine Konsumkritik ist nicht gerade ein komödiantischer Stoff. Aber vielleicht gehen die Menschen am Abend mit mehr Freude ins Kino, wenn sie wissen, sie dürfen auch lachen. Und trotzdem will ich auch noch etwas zum Nachdenken mitgeben, sonst wäre es dem Zuschauer zu einfach.
Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben und spielen eine Hauptrolle. Wie muss man sich das am Set vorstellen?
Am Set ist man wahnsinnig gut unterstützt. Da sind so viele Leute, die alles organisieren. Mein Job ist es tatsächlich, den Überblick zu behalten und bei jedem Tape zu fragen, erzählt es die Geschichte, erzählt es das, was ich brauche.
Ihre Oma im Film sagt, Glück ist wie Wasser, wenn man versucht es zu halten, läuft man mit Fäusten durch die Welt. Wie machen Sie das?
Ich versuche meine Fäuste ab und zu auszuschütteln. Es ist wichtig, dass man sich immer wieder selbst sagt, na komm, kannst auch loslassen, mach mal locker.
Können Sie gut loslassen und auf Dinge verzichten?
Ich kann ganz gut Sachen loslassen. Es gibt eine schöne Regel für das Ausmisten. Man sollte jedes Ding einmal in die Hand nehmen und sich fragen: Machst du mich glücklich, bedeutest du mir etwas? Benutze ich dich? Und wenn nicht, dann raus damit! Wenn man anfängt darüber nachzudenken, sind andere Dinge wichtig; Zeit mit Freunden, Begegnungen ... Man wird nicht auf dem Totenbett liegen und denken, oh Wahnsinn, was hatte ich doch für einen geilen Koffer von Louis Vuitton.
Aber es könnte auch ein Koffer sein.
Es könnte auch ein Koffer sein. Aber dann ein sehr, sehr schöner.
Wie viele Dinge besitzen sie?
Wahrscheinlich wie die meisten Deutschen im Durchschnitt knapp unter 10 000. Man will es nicht glauben, aber man muss nur in den Keller gehen und schauen, was da alles rumsteht. Wie viele Dinge ich in meinem Leben wirklich benutze, ist eine ganz andere Frage.
Können Sie sich noch an Ihre ersten Anschaffungen erinnern?
Als Kind habe ich mir von meinem Taschengeld immer Spielzeug gekauft. Und irgendwann als Teenager meine erste Michael-Jackson-Kassette. Aber die erste Sache, bei der ich das Gefühl hatte, dass es unfassbar ist, dass das jetzt meins sein soll, das war eine eigene Wohnung, ein unausgebauter Dachboden. Natürlich gehörte die Wohnung der Bank. Trotzdem war es ein sehr schönes Gefühl.
Wovon hatten Sie schon zu viel?
Meine erste Erfahrung mit Alkohol war eine dreiviertel Flasche Tequila, danach war ich drei Tage krank. Es ist wirklich lange her, aber ich kann das Zeug bis heute nicht mehr riechen. Übrigens hat schon Marc Aurel in seinem Buch „Selbstbetrachtungen“ geschrieben, dass Maß halten Glück bringen kann. Außerdem soll man sich selber nichts zugestehen, zu allen gütig sein und über nichts lachen. Stoiker, halt. Ein bisschen freudlos, alles.
Haben Sie noch eine Oma?
Ja, sie ist Jahrgang 1929. Meine andere Oma war Jahrgang 1898. Ich war immer ein wenig neidisch auf sie, natürlich nicht auf die Weltkriege. Aber so, wie sich die Welt zu ihrer Zeit verändert hat, habe ich gedacht, das wird nie, nie wieder passieren. Und erst vor fünf Jahren ist mir klar geworden, dass diese Veränderung nichts gegen die ist, in der wir uns gerade befinden.
Die Zukunft ist jetzt, heißt es auch in Ihrem Film.
Ja, uns ist es noch gar nicht richtig klar, wie massiv sich die Welt verändern wird durch die digitale Revolution. Ich würde mir wünschen, dass wir uns damit mehr auseinandersetzten und mitgestalten.
Was halten Sie vom Bedingungslosem Grundeinkommen?
Großartig, Schauspieler wären die Ersten, die es brauchen würden. Ich lese gerade Richard David Precht, seine große These ist, dass das Bedingungslose Grundeinkommen sowieso kommen wird.
Sind Sie gern in Berlin?
Mich muss man für Berlin nicht begeistern. Ich verbringe hier so viel Zeit, dass alle denken, ich lebe hier. Schon als ich das erste Mal die Straße Unter den Linden gesehen habe, war ich beeindruckt. Die Art, wie hier Geschichte an jeder Ecke zu sehen ist, wie ein Gebiss, dem Zähne ausgeschlagen worden sind und dann neue eingesetzt. Man sieht, wie die Geschichte über Berlin drüber gerollt ist. In München geht es eher um die frische Luft und darum, das Leben zu genießen, was viel simpler und auch ein bisschen langsamer ist.
Danke für das Gespräch.
Barbara Sommerer