Azubis gesucht

Technische Neuentwicklungen bringen frischen Wind in alle Branchen, nur der Nachwuchs fehlt – das soll sich ändern. „Augen auf bei der Berufswahl!“ – eine ebenso beliebte wie zutreffende Redewendung. Von den einigen hundert Ausbildungsberufen, die man in unserem Land ergreifen kann, erfreuen sich einige besonderer Beliebtheit: so etwa Kraftfahrzeugmechatroniker/in, Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Elektroniker/in, Medizinische oder Pflege-Fachkraft oder Verkäufer/in. Andere Ausbildungen werden seltener angestrebt, darunter die Ausbildungen zu einigen wichtigen Handwerksberufen wie Klempner, Metzger, Koch, Schornsteinfeger oder Bäcker. Das Handwerk leidet nach wie vor unter einem Imageproblem: Umfragen haben ergeben, dass Jugendliche mit ihrer Berufswahl in erster Linie bei Gleichaltrigen punkten wollen – und Handwerksberufe gelten, vielfach zu Unrecht, als zu traditionell, um nicht zu sagen altmodisch. Doch das Handwerk ist zukunftsträchtig und auch hier hat die Modernisierung Einzug gehalten.

Wie möchte ich leben und arbeiten? Die Berufswahl ist für junge Menschen ebenso wie für Quereinsteiger ein Lern- und Entscheidungsprozess, in dem individuelle Kompetenzen, Neigungen und Interessen ebenso eine Rolle spielen wie gründliche Informationen über die möglichen Wege. Will ich körperlich oder im Büro arbeiten, Menschen helfen, etwas mit den Händen herstellen, tüfteln, mich in der Öffentlichkeit präsentieren oder viel unterwegs sein? Sind mir flexible Arbeitszeiten, eine gute Bezahlung oder Kreativität besonders wichtig? Diese Frage sollte jeder vor der Berufswahl für sich beantworten.

An Auszubildenden mangelt es schon lange. Jahr für Jahr gibt es weniger Schulabgänger und mehr unbesetzte Lehrstellen. Fachkräftemangel ist in Deutschland ein Dauerthema. Speziell im Handwerk bleiben tausende von Ausbildungsplätzen unbesetzt. Gerade kleine und mittlere Unternehmen tun sich schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden. Dabei sind die Maßnahmen der Ausbildungsbetriebe zur Nachwuchsrekrutierung durchaus vielfältig und erfinderisch gestaltet. Neben den bekannten Infoveranstaltungen, Jobmessen, Betriebs- und Schülerpraktika sowie Jobstarter-Projekten organisieren die Unternehmen auch originelle Aktionen wie ein Azubi-Speed-Dating. Selbstverständlich ist die Nutzung der Social-Media-Kanäle, wie Facebook, Snapchat oder Youtube, auf denen die Zielgruppe fast ausschließlich kommuniziert.

Es werden nicht alle angebotenen Berufe nachgefragt und nicht alle nachgefragten werden angeboten. Die Ausbildungslage bleibt schwer einschätzbar, und welche Entwicklung der Arbeitsmarkt ganz genau nimmt, wird sich zeigen. Klar ist jedoch, dass sich alles um Globalisierung und Digitalisierung dreht.

Die neuen, vielversprechenden Berufe mit besten Zukunftsaussichten finden sich in diesen Branchen:

Bildung und Erziehung
Gesundheit, Pflege, Medizin
MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)
Ernährung und Umwelt
Handel und Logistik

Viele der zu diesen Arbeitsgebieten zählenden Berufe sind Handwerksberufe. Deutschlands Ausbilder Nummer eins ist nach wie vor das Handwerk. Es war und ist ein attraktiver Arbeitgeber mit hochinteressanten Berufsfeldern. Gemeint sind nicht nur Bäcker und Maurer, sondern auch Kraftfahrzeugmechatroniker, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Hörge-
räteakustiker, Augenoptiker, Zahntechniker oder Friseure. Ein sicherer Arbeitsplatz im Handwerk ist garantiert.

Natürlich funktioniert auch hier manch Altbewährtes nach neuen Regeln, die Anforderungen an Auszubildende steigen. Digitalisierung und Modernisierung spielen sich nicht nur in der Großindustrie ab. Auch in ganz bodenständigen Ausbildungsunterneh-men des Handwerks sind zunehmend Innovation und Kreativität gefragt. Technische Neuentwicklungen bringen frischen Wind in jeden Ausbildungsberuf. So sind etwa Produktionsabläufe, die noch vor einigen Jahren hochkomplex waren, heute durch den Einsatz moderner Techniken vereinfacht worden und somit auch auf kleine Stückzahlen oder Flächen anwendbar. Und gerade beim so wichtigen Thema Umweltschutz kommen von einzelnen Betrieben zeitgemäße Standards, die nicht selten von der ganzen Branche übernommen werden.

Tradition und technischer Fortschritt liegen kaum irgendwo so nahe beieinander wie im Handwerk. Früher wurde tatsächlich ausschließlich mit der Hand gestaltet, heute geschieht das in vielen handwerklichen Berufen mit Hilfe von Computern. Dennoch lernen Auszubildende im Handwerk auch heute noch die traditionellen Techniken. So mancher alte und vom Aussterben bedrohte Handwerksberuf wie etwa Modist (Hutmacher) oder Sattler (Fachkraft im lederverarbeitenden Gewerbe) hätte in unseren modernen Zeiten eine Renaissance verdient. Die Arbeit im Handwerk begeistert durch den täglichen Umgang mit oft traditionellen Werkzeugen. Doch es geht eben mittlerweile, ob in der Tischlerei oder auf dem Bau, auch um neue Materialien und Bearbeitungsmethoden, die ganz im Sinne des elektronischen Zeitalters auf computergesteuerten Prozessen basieren. So ist in modernen Backbetrieben die Brötchenformmaschine im Einsatz und in traditionellen Bau- und Sanitärberufen werden Gebäudeenergieberater ausgebildet. Die Modernisierung hat System: das Bundesministerium für Bildung und Forschung investiert massiv in die Ausbildung der Zukunft. Mit einem Sonderprogramm und vielen Millionen Euro für Überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) werden in den kommenden Jahren die digitale Ausstattung und moderne Ausbildungskonzepte gefördert. Damit werden etwa virtuelle Gebäude-Modelle in der Bau-Ausbildung oder die digitale Steuerungstechnik in der Milchtechnologie ermöglicht. Damit wird auch das Handwerk immer stärker mobil und netzwerktauglich – also zeitgemäß. Die Qualitätsanforderungen steigen, an die Ausbildung und damit auch an den Auszubildenden. Doch wer Einsatz zeigt, wird belohnt. Das Handwerk bietet beste Karrierechancen: von der Ausbildungs- auf die Gesellenebene bis zum Meister, mit dem ein Betrieb geleitet werden kann. Zufriedenheit in der Arbeit und Selbstbestimmung sind weitere wertvolle Pluspunkte.

Edith Döhring

 

12 - Frühjahr 2021