Über 300 Arten Wildbienen gibt es in Berlin, aber sie brauchen Lebensraum und geeignete Nahrung. Beides ist knapp. Obendrein stehen sie im Schatten ihrer Konkurrenten, den Honigbienen. Die Initiative „Deutschland summt“ setzt sich für die Belange der Bestäuber ein.
Die Wildbienen haben es immer schwe-rer. Dabei ist ihre Funktion als Blütenbestäuber gar nicht hoch genug einzuschätzen. So bestäuben Wildbienen etwa 70 bis 80 Prozent unserer Wildpflanzen. Auch die Kulturpflanzen werden von einer großen Zahl verschiedener Arten aufgesucht. Wie ein Paukenschlag wirkten vor zwei Jahren Forschungsergebnisse, dass fast 80 Prozent der Insekten in Deutschland verschwunden sein könnten.
Und gerade Bienen haben eine enorme Bedeutung jenseits der Honigproduktion. „Zwei Mauerbienen-Arten sind im Kernobstanbau bekannt für ihre effektive Bestäubungsleistung, die Rote Mauerbiene und Gehörnte Mauerbiene“, so Cornelis Hemmer von der Berliner Stiftung für Mensch und Umwelt. Zusammen mit seiner Frau Corinna Hölzer hat er deshalb die Initiative „Deutschland summt!“ ins Leben gerufen. Öffentlichkeit zu schaffen vor allem für die Belange der Wildbienen, ist das Ziel. Um auf die wichtigen Insekten und ihre Gefährdung aufmerksam zu machen, wird von ihnen regelmäßig eine Wildbiene des Monats gekürt.
Dabei ist das alles nicht so einfach zu verstehen, denn eigentlich gibt es mehr Bienen in Berlin als noch vor 20 Jahren, dem Klimawandel sei Dank. Viele Bienen mögen es einfach ein bisschen wärmer. Die Zahl der in Berlin nachgewiesenen Wildbienenarten ist von 2005 bis heute von 297 auf 322 Arten gestiegen. Allerdings werden dabei auch die verschollenen Arten mitgezählt. Gerade die anspruchsvollen Arten haben es derzeit immer schwerer. Der Berliner Biologe und Bienenforscher Christoph Saure kennt sie alle, und er weiß, wo er sie finden kann. „Manche Bienen sind winzig klein, andere über zwei Zentimeter groß“, so Christoph Saure. Hotspots der Wildbienen seien in Berlin unter anderen der Landschaftspark Johannisthal, der Botanische Garten Dahlem, das Gebiet Fort Hahneberg und die „Weidelandschaft“ in Lichterfelde Süd. Pestizide wie in der intensiven Landwirtschaft gibt es an diesen Orten nicht.
„Berlin und Brandenburg kommt noch eine ganz besondere Verantwortung zu. Einige Bienenarten, darunter die Herz-Maskenbiene, die Kleine Spiralhornbiene und die Flockenblumen-Langhornbiene sind nur noch in unserer Gegend zu finden“, so Christoph Saure weiter. Die meisten Wildbienenarten sind Einzelgänger, leben also nicht wie die Honigbienen in Völkern. Was viele nicht wissen, Wildbienen bauen keine Waben. Über die Hälfte der Arten lebt in der Erde, in kleinen Hohlräumen. Auch trockene Stängel, Mauern oder Steinhaufen sind Lebensräume für Wildbienen. Die Östliche Felsen-Mauerbiene ist eine charakteristische Bewohnerin der trockenwarmen Stadtbrachen. Und Letztere gibt es immer weniger. Berlin baut, wo es nur geht.
Hinzu kommt, viele Bienenarten gelten als sehr wählerisch, was die Nahrung betrifft. Sie binden sich diesbezüglich an eine einzige Pflanzengattung, zum Beispiel an Glockenblumen. Gibt es die nicht mehr, stirbt auch die Biene. 2005 standen 40 Prozent der Wildbienen-Arten auf der Roten Liste, aktuell ist es beinahe die Hälfte.
Zunehmend kritisch sehen Fachleute wie Christoph Saure den aktuellen Trend „Stadtimkerei“. Auf dem Land ist das Blütenangebot mittlerweile geringer, und der Pestizideinsatz schadet den Bienen und der Qualität des Honigs. „In Berlin gibt es mittlerweile Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen. Immer mehr Imker, immer mehr Völker. Imkern ist ja im Moment hip. Hinzu kommen etwa zur Lindenblüte die Wanderimker mit sehr vielen Völkern“, gibt Christoph Saure zu bedenken. „Das führt zur Nahrungskonkurrenz, wenn Wild- und Honigbienen nur knappe Ressourcen, vor allem Pollen, vorfinden.“
Was liegt da näher, als aktiv das Nahrungsangebot für Bienen zu erhöhen. Bienenweide ist das Stichwort. Die Stiftung für Mensch und Umwelt hat in Kooperation mit dem Bezirksverband der Gartenfreunde Berlin-Treptow e.V. in Johannisthal einen Wildbienen-Schaugarten angelegt. „Kleingärtner und die Öffentlichkeit sollen sensibilisiert werden, welche Pflanzen den Bienen nützen“, so Cornelis Hemmer. In einem weiteren Projekt hat sich die Stiftung mit verschiedenen Berliner Wohnungsbaugenossenschaften zusammengetan, um eine naturnahe Gestaltung von Wohnquartieren anzuregen. Auf dass es in Berlin ordentlich summt.
Karen Schröder