Vom Eckimbiss bis zum gestärkten weißen Tischtuch – in Berlin kann man es sich an immer neuen Orten schmecken lassen, und es gibt kaum einen Winkel, wo sich nicht die eine oder andere manchmal auch ungewohnte Köstlichkeit entdecken ließe. Unsere Autorin Susann Sitzler ist schon einmal vorgegangen.
Schottischer Sonntagsbraten
So richtig wie im Pub sieht es hier nicht aus. Eher wie in der Küche eines Jugendzentrums mit zusammengewürfeltem Interieur. Doch das ist nur der erste Eindruck. Sobald das erste Bier – etwa ein blumiges lokales „Panke Gold“ – auf dem Tisch steht, wird es gemütlich. Und wenn dann der „Sunday Roast“, der traditionelle britische Sonntagsbraten vor einem dampft, ist jeder kritische Gedanke vergessen. Denn die Details, auf die es ankommt, sind im „Hirsch & Hase“ ausnahmslos perfekt. Das gebackene Wurzelgemüse schmeckt erdig, der Yorkshire Pudding kommt außen kross und innen fluffig. Die Gravy – Bratensauce – ist aromatisch und kein bisschen fett, und das ordentliche Stück Rinderschulter erscheint so zart, dass man es mit dem Löffel teilen kann. Oder eigentlich reicht schon das Hinschauen, und es zerfällt in köstliche Bissen.
Gegründet wurde das „Gastro-Pub“ an der wenig wirtlichen Grenze von Mitte zum Wedding von einem schottischen Paar, das davor mit einem Food Truck über die Märkte zog und dessen männlicher Teil in der Berliner Spitzengastronomie wie etwa dem „Vau“ kochte. So kann man auch den rustikaleren Spezialitäten wie dem Innereienauflauf „Haggis“ oder der Schafskopfsuppe bedingungslos vertrauen. Übrigens können im „Hirsch & Hase“ Vegetarier und Fleischesser gemeinsam tafeln – der kraftvoll gewürzter Linsenlaib als vegetarische Option zum Sonntagsbraten steht dem traditionellen Tier in puncto Würze und Delikatheit in nichts nach.
Hirsch & Hase, Brunnenstraße 73, Wedding.
Tel. 0176/313 220 73, www.hirschundhase.de
Geöffnet Di – Do 16 bis 0 Uhr, Fr 12 bis 2 Uhr, Sa 11 bis 2 Uhr, So 13 bis 23 Uhr.
Vorspeisen ab 3 Euro, Hauptspeisen ab 7 Euro, Sunday Roast 16 Euro
Vegetarische Gerichte: ja, Vegane Gerichte: nein, Behindertengerecht: nein
Schüsseldienst: gehaltvolle Menüelemente gibt‘s in Schalen [Foto: © Florian Kottlewski]
Glück in Schüsseln
Das mit den Schüsseln ist nicht neu. Schon im Mittelalter haben Menschen ihre Nahrung aus einem tiefen Gefäß gelöffelt. Dann brachte die Evolution die städtische Lebensform der Hipster hervor und diese ernähren sich aus Schalen, die sie „Bowl“ nennen und die im Großen und Ganzen eine aufgeräumte Variante des gemischten Salats enthalten. Der „Schüsseldienst“ in Schöneberg fährt da andere Kaliber auf: Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und auf Wunsch Fleisch oder Fisch in einer Güte und Kombination, die einen für viele Stunden sättigt und beglückt.
Eröffnet wurde der Feinschmecker-Imbiss von Felix Mielke, der zuvor mehrere Jahre im edlen Sofitel-Hotelrestaurant Le Faubourg wirkte. Das Konzept ist einfach: Ein paar wenige, jedoch gehaltvolle Menüelemente werden neben- und aufeinander in einer einfachen Schale serviert. Das Pulled Chicken mit dezidiertem Gargeschmack schmiegt sich an perfekt präsentes Kichererbsenpüree, akzentuiert durch intensiv schmeckende ganze Mandeln, strahlend rote Granatapfelkerne und mild gedämpfte Blumenkohlröschen. Das mit den Schüsseln ist nicht neu. Das Wissen, dass gutes Essen glücklich macht, auch nicht. In diesem kleinen Imbisslokal erlebt man beides wieder einmal so, als wäre es das erste Mal.
Schüsseldienst, Akazienstraße 3a, Schöneberg.
Tel. 0170/58 62 727, www.schuesseldienst-berlin.de
Geöffnet Mo 12 – 16 Uhr, Di – Sa 12 – 21 Uhr.
Gerichte ab 5 Euro
Vegetarische Speisen: ja, Vegane Speisen: ja, Behindertengerecht: nein
Ob Brad Pitt auf einer der Schaukeln im Solar am Fenster saß? [Foto: PictureSamuraiPhotographie]
Der Himmel über dem Anhalter Bahnhof
Ganz weit oben, und Brad Pitt war auch schon da: So lassen sich die Alleinstellungsmerkmale der Solar Lounge im ansonsten etwas trüben Gebiet rund um den Anhalter Bahnhof beschreiben. Dass sich der Weg in den 16. Stock lohnt, ist von unten nicht sofort ersichtlich: Man sieht bloß einen grauen Betonblock aus den Siebzigerjahren. Lediglich der gläserne Aufzug an der Außenfassade deutet darauf hin, dass oben noch was los sein könnte. Und dass sich der Besuch schon wegen der Aussicht lohnt. Auf zwei Etagen kann man in der Solar Lounge von über 70 Metern Höhe über die nächtliche Stadt schauen. Im unteren Teil von Restauranttischen aus, in der oberen Etage von lässigen Schaukelsofas oder vom Bartresen. Die Solar Lounge ist kein neuer Laden und es wäre gelogen, den Barkeepern mehr als ausreichendes Handwerk zu bescheinigen. Doch darum geht es hier nicht. Innovative Bars mit Instagram-tauglichen Drinks gibt es in Berlin an jeder Ecke. Die Solar Lounge stammt aus einer Zeit, wo man sich selbst manchmal für ein paar Stunden vergessen und an seine gepostete Außenwirkung nicht einmal denken musste. Ob Brad Pitt, als er einmal hier gewesen sein soll, auf einer der Schaukeln am Fenster saß und über die Fehler nachsann, die er mit Angelina machte? Man weiß es nicht. Doch eines ist ziemlich sicher: Die motorisierte DJ-Kanzel, die zwischen den beiden Etagen hinauf- und hinunterfahren kann und direkt aus der Disco-Ära der 1980er Jahre zu stammen scheint, hätte ihn garantiert vor allzu trüben Gedanken abgelenkt.
Solar, Stresemannstraße 76, Kreuzberg.
Tel. 0163/76 52 700, www.solarberlin.com
Geöffnet So – Do 18 bis 2 Uhr, Fr/Sa 18 bis 3 Uhr
Cocktails ab 9,50 Euro
Rauchen: Separee, Behindertengerecht: nein
Das Anh Dao hat das Zeug zu einem Geheimtipp [Foto: Anh Dao]
Veganer Geheimtipp
Wer es nicht weiß, läuft vielleicht daran vorbei. Denn mit seinem kunterbunten Mobiliar und der unbestimmt exotischen Innendekoration sieht das Anh Dao eher unscheinbar und wie ein beliebiger asiatischer Imbiss aus, von denen es viele gibt. Doch dieser Asiate ist völlig anders: Nicht nur um Längen besser als viele Lokale mit vergleichbar umfangreicher Karte. Er ist auch vollständig vegan – inklusive einer großen Auswahl an Sushi. Und zwar in einer Qualität und mit einem geschmacklichen Reichtum, der auch begeisterte Fleischesser keine Sekunde zögern lässt, ob es sinnvoll ist, hier einzukehren.
Schmackhaft und elegant präsentiert sich die Sommerrolle mit Erdnuss- und würziger veganer Fischsauce. Der in Betelblätter gewickelte Tofu schmeckt sanft und trotzdem ausgeprägt, die Avocado dazu macht das ursprünglich vietnamesische Gericht nahrhaft. Der Ingwertee mit frischen Orangenschnitzen sticht mit seinem intensiven Geschmack jede Flaschenlimonade aus und sieht, wie alles, was von der freundlichen Patronin an den Tisch gebracht wird, prachtvoll aus. „Vietnamese Vegetarian Kitchen“ steht bescheiden an der Markise. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn das Anh Dao hat das Zeug zu einem Geheimtipp nicht nur in Prenzlauer Berg.
Anh Dao, Danziger Straße 42, Prenzlauer Berg.
Tel. 030/44 32 81 68, www.anhdao-indochinesischespezialitaetenberlin.de
Geöffnet So – Fr 12.30 bis 22 Uhr, Sa 15 bis 22 Uhr.
Vorspeisen ab 3,50 Euro, Hauptspeisen ab 5,50 Euro
Vegane Speisen: ja, Behindertengerecht: nein