In Berlin schmeckt’s

Vom Eckimbiss bis zum gestärkten weißen Tischtuch – in Berlin kann man es sich an immer neuen Orten schmecken lassen. In Zeiten, wo gastronomisch kein normales Leben möglich ist, geben sich engagierte Gastronomen dennoch alle Mühe, die Gäste mit Köstlichkeiten aufzumuntern, die sie unterwegs genießen oder sogar zu sich nach Hause liefern lassen können. Unsere Autorin Susann Sitzler stellt einige vor.

 

Fabelhaftes Glück

Auf den ersten Blick wirkt alles widersprüchlich. Die Grünpflanzen in ihren Makramee-Ampeln verweisen auf das Lieblingsdekor von Hipster-Cafés, die weitläufige Einrichtung aus hellem Holz lässt an ein Familienrestaurant denken, das Personal wirkt eher vergeistigt als hedonistisch und dann wird auch noch ein Teller mit etwas, das aus dem Augenwinkel wie ein Burger aussieht, durch das Lokal getragen. Dabei steht draußen doch Cocktailbar angeschrieben. Doch dann setzt man sich hin und alles fügt sich zusammen. Perfekt balanciert zwischen sauer und bitter, dabei befriedigend süß ist der ginbasierte Chinotto; zartherb und sanft blumig der süffige Lavender Mule. Das engagierte Team kombiniert klassische wie auch ausgefallene Spirituosen höchster Güte mit selbst angesetzten Kräuterauszügen oder fermentierten Bestandteilen und erklärt auf Wunsch kenntnisreich und leidenschaftlich jeden Tropfen, der vor einem steht. Der Burger entpuppt sich als geschmackspralles Pulled Pork Sandwich, mit dem der Laden neuerdings ein paar herzhafte Angebote als Barfood in die Karte aufgenommen hat. Denn wer Appetit bekommt, ist mit einem hochwertigen Snack einfach besser dran als mit den sonst üblichen Salzstangen und Nüsschen. Spätestens dann erkennt man die „Fabelei“ als das, was sie ist: ein bezaubernder Ort, an dem alles perfekt zusammenpasst und wo man vor allem am früheren Abend glücklich werden kann – kurz nach Mitternacht ist nämlich leider schon Schluss. 

Fabelei, Kyffhäuserstr. 21, Schöneberg.
Tel. 030/20 85 92 00, www.fabelei.com,
geöffnet So – Do 18 bis 24 Uhr, Fr/Sa 18 bis 1 Uhr.
Cocktails ab 9 Euro, Barfood ab 4,50 Euro.
Vegane Varianten: ja, behindertengerecht: nein

 

 


Von Kennern als Geheimtipp gehandelt [Foto: Café Kredenz]

 

Der Trost der Torten

Dass ein bewegter Lebensweg zu diesem Ort geführt hat, sieht man dem Café Kredenz an einer entlegenen Ecke der Kantstraße in Charlottenburg nicht an. Kleine Tischchen, verspielte Lämpchen und allerlei zierliche Dekoration erinnern in dem kleinen Lokal an ein undefiniertes Früher, in dem womöglich alles einmal besser gewesen sein könnte – ein ganz klein wenig auch an ein zeitloses Kaffeehaus, wie man es vielleicht aus Wien kennt. Die Kuchen wiederum stammen scheinbar direkt aus einem Paradies, in dem mit echter Butter, wahren Eiern und richtiger Sahne gewerkelt wird. Die Walnusstorte hat einen tief nussigen Geschmack, der durch eine zarte Fruchtnote komplettiert wird. Die Cremefüllung der Napoleonschnitte ist dicht und sahnig. Das kompakte Karamelltörtchen bleibt mit seiner salzig akzentuierten Kondensmilchfülle lange präsent. Gebacken wird alles von einer kleinen Bäckerei in Stettin und hier liegt die Verbindung zur durchaus bewegten Geschichte der Betreiberin Maria Bojarzynska. Diese, einst aus Polen kommend, reiste noch zu Zeiten des Kalten Krieges mit ihrem Mann nach Wien zu einer Familienfeier und beschloss dort mit ihm, im Westen zu bleiben. Als einziges bot sich West-Berlin zur Einreise an, und so kam sie als Unternehmerin nach Charlottenburg. Den Wunsch, ein Café zu eröffnen, hatte sie schon lange und 2009 entstand das so zeitlos wirkende Café Kredenz, das von Kennern als Geheimtipp gehandelt wird – und dessen Kuchenstücke so köstlich sind, dass sie einem immer irgendwie zu klein erscheinen.

Café Kredenz, Kantstraße 81, Charlottenburg.
Tel. 030/327 042 95, www.kredenz-cafe.de,
geöffnet: Mo – Sa 11 bis 18 Uhr, So 12 bis 18 Uhr.
Kuchenstück ab 3,90 Euro.
Vegane Varianten: nein, behindertengerecht: nein

 

 

 


Entdeckenswerte Gerichte westafrikanischer Hausmannskost [Foto: Olivia Nielsen ]

 

Dealer für Genuss

Insgesamt sind Dealer ja eher schlecht gelitten. Nicht nur die Gegend um den Görlitzer Park hat durch omnipräsenten Drogenhandel rabiate Probleme bekommen. Mit diesem Berliner Ärgernis spielt das afrikanische Restaurant Bantabaa in der Wrangelstraße. Es nennt sich „Food Dealer“ und bietet Dinge, die einen vielleicht nicht direkt berauschen, aber doch sehr fröhlich machen können. Die „Plantains“ etwa – herzhaft gebratene Kochbananenscheiben – schmecken wie der raffinierte, weit entfernte Cousin der Bratkartoffel. Das „Plassas“ genannte Spinatgemüse mit gemahlenen Erdnüssen ist würzig abgeschmeckt und hat durch die Verwendung von Palmöl und Reis genügend Wums, um auch ohne die optionale Makrele dazu glücklich satt zu machen. Hervorgegangen ist das Lokal aus einer sozialen Initiative mit dem Ziel, junge Westafrikaner durch eine Qualifikation in der Gastronomie von der Spirale des Drogenhandels zu bewahren, der drohen kann, wenn sie, meist als Geflüchtete und auf sich selbst gestellt, rund um den Görlitzer Bahnhof Anschluss bei Landsleuten suchen, die diesen Weg eingeschlagen haben. Das Qualifizierungsprojekt, bei dem sie heimatliche Gerichte kochten und in einem Bistro anboten, kam beim Publikum so gut an, dass es seit Auslaufen der Förderung von einigen der Teilnehmenden aus Gambia selbständig weitergeführt wird. Seither bietet das kleine Lokal mitten in der verrufenen Ecke köstliche, frische und unbedingt entdeckenswerte Gerichte westafrikanischer Hausmannskost, wie man sie, im Gegensatz zu Drogen, auch in Berlin nicht an jeder Ecke findet.

Bantabaa Food Dealer, Wrangelstr. 82, Kreuzberg.
Tel. 0176/577 66 724, www.bantabaafoddealer.eu
Geöffnet Mo – Sa 12 bis 23 Uhr. Sonntag geschlossen.
Speisen ab 2,50 Euro, Hauptgerichte ab 7,50 Euro.
Vegane Speisen: ja, behindertengerecht: nein

 

13 - Frühjahr 2022