
Vom Eckimbiss bis zum gestärkten weißen Tischtuch – in Berlin kann man es sich an immer neuen Orten schmecken lassen. In Zeiten, wo gastronomisch kein normales Leben möglich ist, geben sich engagierte Gastronomen dennoch alle Mühe, die Gäste mit Köstlichkeiten aufzumuntern, die sie unterwegs genießen oder sogar zu sich nach Hause liefern lassen können. Unsere Autorin Susann Sitzler stellt einige vor.
Italianità Vegana
In manchen Kreisen hat das Sotto einen Ruf wie Donnerhall: Nicht nur, dass es hier eine große Auswahl von veganen Pizzen gibt – es gibt hier fast ausschließlich vegane Pizzen und dazu ein paar vegetarische Optionen sowie mehrere Desserts, die ebenfalls völlig ohne tierische Produkte auskommen. Was einem hier garantiert nicht unterkommt: Fleisch oder Fisch. Gerade durch diese Rigorosität ist das Sotto ein sehr guter Ort, um auch als nicht vegan lebender Mensch die Fülle und Köstlichkeit dieser Ernährungsform zu genießen. Der Klassiker – neben der unter Stammgästen legendären Kartoffelpizza mit Rosmarin – ist die vegane Pizza Porkkala mit Spinat, Mandelmus, Kräuterpesto, Pinienkernen und rauchigen Möhrenscheiben. Vor allem letztere machen daraus einen wirklichen Geschmackshammer: Die mit Rauchsalz marinierten und sanft gebratenen Möhrenscheiben bringen mit ihrer vollmundigen Umami-Note ein derart befriedigendes Esserlebnis, dass man sich ernsthaft fragt, wozu ein Mensch noch Speck isst. Und das alles auf einem perfekten, dünnen, knusprig auf den Punkt gebackenen Teig. Das Ambiente in dem kleinen Lokal ist eher schraddelig, das Personal mit Ausnahme der Küchenmannschaft nicht in jedem Fall übermäßig professionell, dafür aber meist gut gelaunt und zu großen Teilen wirklich italienisch. Und genau hier dürfte der Grund liegen, warum das Sotto meist ausgebucht ist: Es bietet eine moderne, sehr alternative Italianità, die sich selbst genügt und genau dadurch einen neuen Geschmack trifft.
Pizzeria Sotto, Neue Hochstraße 25, Wedding.
Tel. 030/74 78 34 19, pizzeriasotto@gmail.com. Reservierung empfohlen.
Geöffnet Di – So 16 bis 22 Uhr, Montag geschlossen.
Speisen ab 6,50 Euro
Vegane Varianten: ja, behindertengerecht: nein
Seit 88 Jahren und bei Alteingesessenen ebenso beliebt wie bei Hipstern. Das muss man erst mal hinkriegen [Foto: Kurpfalz-Weinstuben GmbH]
Kurpfalz souverän
Aus Szeneclubs kennt man, dass sie hinter düstere Einfahrten oder unbenannten Türen liegen und man mit dem Finden des Eingangs erstmal den Eingeweihtentest bestehen muss. Für Traditionsrestaurants ist dieses Verfahren eher selten. Um den Eingang der legendären Kurpfälzer Weinstuben in Charlottenburg zu finden, wühlt man sich durch das Getümmel eines großflächig mit Tischen vollgestellten Touristenlokals, biegt scharf in eine betongraue Durchfahrt ab und steht dann in einem Wohnhaushinterhof. Eine schattige Ecke ist etwas skurril als eine Art Biergarten abgetrennt und liebevoll mit Weinkisten geschmückt. Und schon ist man drin in der sympathischen Parallelwelt dieser Institution. Gegründet 1935, scheint das Lokal direkt in die Gegenwart gebeamt: Dunkel holzvertäfelte Räume, Wappen und schweres Mobiliar kommen dabei ganz ohne die Brauereiseligkeit alter Eckkneipen aus. Es geht hier schließlich um Wein – regelmäßig gastieren Winzer, die ihre Weine als Ergänzung zur kraftvollen und doch modernen, leichthändigen Küche vorstellen. Pfälzer Saumagen wird hier nicht gescheut, vegetarische Gerichte wie etwa der Flammkuchen mit Spargel oder eine Gemüsesuppe der Saison werden souverän beherrscht. Nennen wir es: geradlinigste Qualität in verwinkelten Räumen. Nebenan gibt es noch ein schön ausgebautes Gemach für Privatfeiern, das in seiner steinernen Strenge eher in ein Schlosshotel passen würde. Und das alles in einem schmucklosen Berliner Hinterhaus und seit 88 Jahren. Das muss man erst mal hinkriegen.
Kurpfalz-Weinstuben,
Wilmersdorfer Str. 93, Charlottenburg.
Tel. 030/883 66 64, www.kurpfalz-weinstuben.de
Geöffnet Di – Sa ab 18 Uhr. So/Mo Ruhetage.
Speisen ab 9 Euro, 3-Gang-Menu mit Weinbegleitung für 69 Euro.
Vegane Speisen: nein, behindertengerecht: nein
Plüsch, Brokat und Kuriositäten mit stilsicherer Hand beinahe überperfekt zusammengestellt [Foto: Bellboy Group]
Zum Cocktail bei Alice im Wunderland
Der Eingang der Bellboy Bar liegt düster hinter der unauffälligen Glasfassade eines der optisch eher weniger einladenden Hotelgebäude am Gendarmenmarkt: ein kleiner Raum, der ein bisschen wie der düstere Nachtempfang eines zwielichtigen Hotels aus vergangenen Zeiten aussieht. Die meisten Gäste scheinen ausgeflogen, denn die altmodischen Schlüssel hängen alle da. Ein strenger Blick des Nachtportiers – oder seiner Vertreterinnen – dann erst öffnet sich die Welt dieser Bar. Auf den ersten Blick ist es der riesige, etwas zusammengewürfelte Salon von Alice im Wunderland. Bei genauerem Hinsehen wird dann deutlich, dass die Anordnung aus Plüsch, Brokat und Kuriositäten mit stilsicherer Hand beinahe überperfekt ist – und dass die Details umso mehr Sinn ergeben, je mehr von den perfekt gemixten und teilweise maximal verspielten hochprozentigen Cocktails man intus hat. Nach dem dritten verschmelzen die ganzen Bilder, Lämpchen und Tierfiguren zu einer betörenden, fast etwas surrealen Einheit. Wenn da nur nicht so viele Leute wären, die ständig ihre Drinks fotografieren. Richtig schön ist es darum in der kleineren, versteckten Nebenbar. Hier kann man zwischen Tropentapeten und glänzendem Holz an einem alten Tresen etwas ruhiger reden, trinken und auch nach einer recht ausgiebigen Karte essen. Falls man übrigens auch schon vor dem Besuch nicht mehr blutjung aussieht, ist das hier definitiv kein Nachteil: Zutritt gibt es nämlich erst ab 25 Jahren.
Bellboy Bar, Mohrenstr. 30, Mitte.
Tel. 030/20 07 70 70, www.bellboybar.com.
Geöffnet Di – So ab 18 Uhr.
Cocktails ab 11 Euro, Barfood ab 8 Euro
Vegane Varianten: nein, behindertengerecht: nein, Eintritt ab 25 Jahren