Modeschmuck - ein Gelächter aus Farbe, Pracht und ordentlich Bling-bling

Räumen wir zuerst mit dem Missverständnis auf: Modeschmuck ist weder minderwertiger Tand noch nachgemachtes Geklunker. Sondern eine eigenständige, anspruchsvolle Gattung der Modeaccessoires. Zwar sind die Materialien nicht edel wie bei Echtschmuck. Doch zumindest in den frühen Jahren war auch „costume jewelry“ – Kostümschmuck, wie er auf Englisch heißt – geprägt von handwerklicher Sorgfalt, gestalterischer Originalität und häufig sogar von außerordentlichem Witz: die arme und doch lebenssprühende Cousine des echten Schmucks. Ihre Geschichte erzählt jetzt die Ausstellung „Bijoux Bijoux!“ im Kunstgewerbemuseum.

Ein langer, schwarz gestrichener Gang führt in die Welt der bunten Ketten und Reifen. Zuerst stimmen nur vereinzelte Modefotografien auf das Kommende ein: etwa die Schauspielerin Nadja Tiller 1966 mit aufgetürmtem Haar, einer provokanten Zigarette und einem gigantischen Geriesel aus dicken, schwarzen Perlenschnüren vom Nacken bis zum Dekolleté.

Modeschmuck kam in den Dreißigerjahren auf. Coco Chanel war eine der großen und frühen Verfechterinnen des nicht edlen Schmucks. Auch ihre Kollegen Elsa Schiaparelli und Christian Dior setzten auf diese Möglichkeit, ihre Entwürfe zu akzentuieren. Modeschöpfer, die auf sich hielten, beschäftigten eigene Designer nur für Schmuck. Eine große Auswahl früher Stücke – alle aus der spektakulären Sammlung der deutschen Sammlerin Gisela Wiegert – sind in der Ausstellung zu sehen: fruchtbonbongroße und ebenso bunte Glassteine in schillerndes Metall gefasst, klimperndes Perlengeriesel, Tiere und Blüten von Armreif bis Brosche. Im kostengünstigeren Modeschmuck konnten die Gestalter auf Trends rasch und spielerisch reagieren. Doch zumindest der frühe Modeschmuck war auch geprägt von den Techniken und künstlerischen Fähigkeiten der hohen Goldschmiedekunst. Einer der berühmtesten Modeschmuckgestalter der 1960er Jahre, William de Lillo, hatte, bevor er sich mit einem eigenen Label für Haute-Couture-Schmuck selbstständig machte, für Cartier, Tiffany und Harry Winston mit Echtschmuck gearbeitet. Sein geometrisches Collier von 1969 wirkt, kühn und ausdrucksstark, als sei es aus nichts anderem als vergoldeten Schoggetten gefertigt.

Außer aus den USA kam hochwertiger Modeschmuck seit den 1950er Jahren auch aus dem bayerischen Neugablonz. Dort entstand durch Vertriebene aus Böhmen – einst Hochburg der Kristallindustrie – ein in Deutschland neuer, spezialisierter Industriezweig. Viele Stücke der Ausstellung stammen von dort. Darunter verspielte Broschen in Tierform wie eine Katze aus Hunderten Kristallen, an deren Schwanzspitze neckisch eine Maus, gefertigt aus einem einzigen Kunstsmaragd, sitzt.

Eine gesonderte Betrachtung bekommt übrigens Christian Dior. Seine Stücke fügen sich im Untergeschoss des Museums wie selbstverständlich zwischen Teppiche der Renaissance und Goldschätze des Mittelalters. Als Dior nach dem zweiten Weltkrieg den femininen „New Look“ schuf, ermutigte er die Frauen zum Tragen von Modeschmuck: „Er ist sehr hübsch und belebt Ihre Kleidung“. Tatsächlich sind die Dior-Stücke, die in „Bijoux! Bijoux!“ gezeigt werden, vergleichsweise klassisch – und zeigen doch die Essenz dessen, was Modeschmuck von Anfang an war: Geschmeide, das sich mehr Witz, mehr Augenzwinkern und oft auch mehr Übertreibung leisten konnte als die edlen Verwandten. So gesehen ist diese Ausstellung ein einziges, frohes Gelächter. Für Puristinnen wahrscheinlich ein Graus. Für alle anderen ein Vergnügen.

Susann Sitzler

 

Information

Bijoux Bijoux! Modeschmuck von Chanel bis Dior.
Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz 2.
Bis zum 27. Januar 2019.

 

09 - Herbst/Winter 2018