
Das Problem ist bekannt und aktueller denn je – unser Land hat nicht genügend kompetente Handwerker und Handwerkerinnen, die nicht nur für Maßnahmen zum Klimaschutz dringend gebraucht werden. Bis 2030 fehlen in Deutschland zwei Millionen qualifizierte Arbeitskräfte aus allen Branchen. Um das Funktionieren des Landes zu gewährleisten und unseren Wohlstand zu sichern, braucht es jedoch Berufsexperten – gerade auch im Handwerk. Wie können die Fachkräftelücke geschlossen und speziell die Jugend motiviert und gewonnen werden, um die Innovations- und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken?
Fachkräftemangel ist definiert als die langfristige und flächendeckende Knappheit von gut ausgebildeten Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Ursachen hierfür sind unter anderem die vorherrschende Überalterung der deutschen Gesellschaft und die zunehmende Digitalisierung in fast allen Wirtschaftsbereichen. Nicht zuletzt sind auch knapp bewältigte oder andauernde Krisen wie COVID 19 oder der Krieg in der Ukraine in ihren (Nach-)Wirkungen auf den Arbeitsmarkt zu bewältigen. Am häufigsten fehlen Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung in den Bereichen Pflege, Medizin, technische Berufe und im Handwerk.
In Deutschland sind in rund 560 000 Betrieben über fünf Millionen Menschen im Handwerk tätig. Etwa 360 000 Lehrlinge erhalten im Handwerk eine qualifizierte Ausbildung. Es gibt kreative, körperlich fordernde, besonders gut bezahlte und ausgesprochen zukunftsträchtige Handwerksberufe. Das Handwerk ist Kern und wesentlicher Teil des Mittelstands in Deutschland. Als von Handwerkern geschaffene oder bearbeitete Werke gelten Bauprojekte, Lebensmittel, personenbezogene Arbeiten und alltägliche Nutzungsgegenstände. Es ist der vielseitigste Wirtschaftsbereich in unserem Land und ein Kernstück der deutschen Wirtschaft. Im Handwerk werden konstant hohe Umsätze erwirtschaftet, die Branche ist stabil und zukunftssicher – und dennoch ist es nicht einfach, Nachwuchs zu gewinnen.
Das Handwerk ist Ausbilder Nummer Eins in Deutschland, das Duale System der Ausbildung, also das Erlernen eines Berufs im Betrieb und in der Berufsschule, ist einzigartig. Den Abschluss erhält man nach drei bis dreieinhalb Jahren mit der bestandenen Gesellenprüfung. Jeder Geselle kann sich über systematische Berufslaufbahnkonzepte weiterbilden und die Meisterprüfung ablegen. Sie ist die fachliche und unternehmerische Fortbildung auf Bachelorniveau und befähigt zur Unternehmensführung und Ausbildung.
Gesellen und Meister können dann unter vielfältigen Möglichkeiten der Fortbildung wählen, Beispiele sind der Betriebswirt des Handwerks als Fortbildung für Unternehmer und Manager oder der Restaurator im Handwerk als international renommierte fachliche Weiterbildung. In den meisten Bundesländern eröffnet der Meisterbrief den Weg zum Studium an Fachhochschule oder Universität.
Aus über 130 Ausbildungsberufen kann ein junger Mensch im Handwerk wählen. Einige davon sind beliebt – wie etwa die Ausbildung zur Friseurin bei den weiblichen Azubis und die zum Kraftfahrzeugmechatroniker bei den männlichen – jedoch gibt es seit mehreren Jahren mehr offene Stellen im Handwerk als arbeitslose Handwerker. Es fehlen speziell Gesellinnen und Gesellen, Meisterinnen und Meister sind noch schwerer zu finden. Besonders betroffen von dieser Fachkräftelücke sind die Bauelektrik und die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik.
Die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeit erkannt: Die Suche nach Fachkräften wird existenziell. Die neue Fachkräftestrategie der Bundesregierung sieht zur Behebung des Problems fünf Handlungsfelder:
- Eine zeitgemäße Ausbildung mit attraktiven Ausbildungsangeboten und einer frühzeitigen und umfassenden Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler.
- Gezielte und leicht zugängliche Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.
- Die Erschließung von brachliegenden Arbeitsmarktressourcen wie Frauen in der Familienphase, ältere oder Teilzeitarbeitnehmer. Hier sind die Schaffung von Voraussetzungen wie Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie Flexibilität bei Arbeitszeiten und -orten erforderlich.
- Die Verbesserung der Arbeitsqualität und der Wandel zur mitarbeiterorientierten Arbeitskultur.
- Moderne Einwanderungspolitik mit vereinfachten Verwaltungsverfahren, beschleunigter Anerkennung von Berufsabschlüssen und unkompliziertem Mit- und Nachzug von Familien.
Die Fachkräftestrategie schafft einen unterstützenden Rahmen, skizziert Handlungsfelder und gibt Impulse zur Gewinnung und Sicherung von Fachkräften – auch im Handwerk.
Berliner Handwerksunternehmen können über das Förderprogramm der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales finanzielle Unterstützung beantragen. Gefördert werden die Ausbildung im Verbund mit anderen Betrieben, freien Trägern, schulischen und hochschulischen Einrichtungen, die Prüfungsvorbereitung sowie die Ausbildung speziell definierter Zielgruppen (Benachteiligte, frauentypische Berufe, Alleinerziehende, Betriebsstilllegungen, Übernahmen aus Insolvenzbetrieben) und die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter.
Edith Döhring