Das 1912/13 als Geschäftshaus gebaute Haus Jacobi am Oranienplatz wurde vor zwei Jahren zum Hotel Orania.Berlin und bringt nicht unumstrittenen Luxus nach Kreuzberg. Ein reich bebildertes Buch beleuchtet jetzt seine Geschichte und Gegenwart.
Eigentlich sollte das über 100 Jahre alte Haus Oranienpalast-Hotel heißen, aber seine damals zwölfjährige Tochter habe ihm abgeraten, mit der Begründung, dass dann nur alte Leute kämen, erzählt der Besitzer des Hauses Dietrich von Bötticher. Tatsächlich sit-zen an diesem Abend im Hotel Orania.Berlin auch viele jüngere Leute lässig in den bequemen Sitzmöbeln der Lounge und lauschen der Livemusik. Dem kultursinnigen Münchener Rechtsanwalt von Bötticher gehört das Haus seit 2008, wie auch ein anderes repräsentatives Geschäftshaus gegenüber am Platz. Ein Luxushotel zu eröffnen, war in der linksalternativen Umgebung durchaus ein Risiko. So ist es nicht überraschend, dass im Erdgeschoss noch Spuren von der letzten Steinwurfattacke zu sehen sind. Mit dem Widerstand können die Betreiber durchaus umgehen. Durch Offenheit versuchen sie ihn immer wieder zu entkräften. Um ein tragfähiges Konzept für das Hotel zu entwerfen, hat sich Dietrich von Bötticher mit seinem langjährigen Freund und Geschäftspartner Dietmar Müller-Elmau zusammengetan. Letzterer ist der Betreiber des Luxusresorts Schloss Elmau in den Bayerischen Voralpen. Ja, jenes Elmau, wo Deutschland 2015 Staatslenker zum G7-Gipfel empfing. Nun also ist Schloss Elmau aus den bayerischen Alpen herabgestiegen in die Niederungen von Berlin-Kreuzberg. Das Konzept, ein luxuriöses und offenes Haus zu führen, Musik und Literatur eine Heimstatt zu geben, ist auch hier umgesetzt. Bis hin zur Farbgebung, zu den goldenen Designerlampen und der Bemusterung der edlen Sitzmöbel – der Betreiber liebt Elefanten – sind die Parallelen unverkennbar. Als Hoteldirektor konnte der Spitzenkoch Philipp Vogel gewonnen werden. Küchenchef und Manager des ganzen Hauses in Personalunion, auch das gibt es nicht so häufig.
Zuletzt stand das Gebäude mit der repräsentativen Sandsteinfassade und den großen Fenstern schon länger leer, nachdem Büros, ein Kabarett-Café, ein Möbelhaus, eine Diskothek und ein Discounter ausgezogen waren. Die Geschichte des Hauses ist lang.
Für die Errichtung des monumental wirkenden Gebäudes ließ der Berliner Kaufmann und Stadtrat Leopold Jacobi einst zwei ältere Mietshäuser abtragen. Mit Entwurf und Planung des fünfgeschossigen Eckhauses betraute er 1912 das Büro der beiden erfahrenen Architekten Wilhelm Cremer und Richard Wolffenstein. Sie hatten schon durch andere Geschäftshäuser und den zweiten Preis im Reichstagsbauwettbewerb von sich reden gemacht. Der Oranienplatz gehörte seinerzeit zu den schönsten Plätzen Berlins, mit dem Luisenstädtischen Kanal in der Mitte, der Brücke und den vier beeindruckenden Jugendstilkandelabern. Später wurde der Kanal zugeschüttet, und die Brücke samt Kandelabern wurde nicht mehr gebraucht.
Das Haus Jacobi hat man in moderner Eisenskelettbauweise errichtet. Dadurch ließ sich die Raumaufteilung über die Jahre relativ flexibel gestalten. Das Haus wurde lange geschossweise vermietet. Als Bekleidungskaufhaus, als Büro, als Café Oranienpalast und Hotel Ahlbecker Hof. Umbauarbeiten gehörten jeweils dazu. In der Zeit des Nationalsozialismus gerieten die jüdischen Besitzer des Hauses, die Kinder des Bauherrn Leopold Jacobi, zunehmend unter Druck, so dass sie 1934 dem Bekleidungshändler C&A das Haus verkauften. Familie Jacobi konnte sich ins Exil retten, verlor allerdings großenteils seinen Besitz in Deutschland. Das Haus am Oranienplatz überstand den Zweiten Weltkrieg weitgehend unzerstört, obwohl es in der Nähe durchaus größere Kriegsschäden zu verzeichnen gab.
Den Umbau des Hauses Jacobi zum Hotel Orania.Berlin mit 41 Zimmern und Suiten übernahm vor einigen Jahren das Architekturbüro Hilmer & Sattler und Albrecht. Man kannte sich schon aus Elmau. Um es als Hotel nutzen zu können, musste das Haus Jacobi auf seine Primärstruktur zurückgebaut werden. Vorhandenes, darunter das historische Treppenhaus und der geklinkerte Innenhof, sollte soweit als möglich erhalten bleiben. Das Haus steht unter Denkmalschutz. Inspirierend gerade für den Umbau des Erdgeschosses als Restaurant, Bar und Lounge war für die Architekten das einstige Café Oranienpalast. An prominenter Stelle, wo sich früher der Eingang zum Haus befand, steht jetzt die Bühne. Als besonders anspruchsvolle Aufgabe erwies sich auch, die gesamte moderne Haustechnik in den begrenzten Raum zu integrieren. Das Hotel ist eines der wenigen Luxushotels dieser Kategorie ohne Spa, dafür mit einem Salon samt Bibliothek im Dachgeschoss. Wellness existiert für die Betreiber ausdrücklich auch jenseits von Pool und Sauna. Von hier oben aus hat man einen großartigen Blick über die Dächer von Kreuzberg bis hinüber nach Mitte.
Karen Schröder
Wolfgang Schäche, David Pessier:
Vom Geschäftshaus Jacobi zum Hotel Orania.Berlin,
Geschichte und Wandel einer architektonischen
Wiederentdeckung am Oranienplatz,
Jovis Verlag Berlin, 128 Seiten, 67 farb. und 46 s/w Abb.