Die Dinnebier-Unternehmensgruppe zählt zu den wachstumsstärksten Autohäusern in Deutschland. Uwe Dinnebier erhielt 1990 als jüngster Unternehmer bei Ford einen Händlervertrag. Bis heute ist der aus dem brandenburgischen Bad Wilsnack stammende Wahlberliner dieser Marke treu geblieben. In Berlin ist der gelernte Automechaniker und Lackierer mit 20 Verkaufshäusern und über 800 Mitarbeitern vertreten. Berliner Leben sprach mit ihm in seinem Jaguar Land Rover Flagship Store, der im Oktober letzten Jahres am Ku‘damm neu eröffnet hat.
Als Sie sich in der Autobranche selbstständig gemacht haben, waren Sie Anfang 20 und lebten in der DDR. Wie oft denken Sie an Ihre Anfänge als Unternehmer zurück?
Ich denke relativ selten zurück, weil ich jemand bin, der lieber nach vorne schaut mit Blick auf neue Projekte. Aber wenn ich zurückdenke, dann sehr intensiv ...
In der DDR als selbstständiger Unternehmer klarzukommen, erforderte viel Einfallsreichtum und gute Beziehungen. Wie ist es Ihnen ergangen?
Ein Problem war, dass man als DDR-Bürger nur ein Grundstück besitzen durfte. Wenn man bereits ein Privathaus mit der Familie hatte, so wie ich damals in Bad Wilsnack, war es schwierig, ein eigenes Gewebegrundstück zu bekommen. Ich blieb aber hartnäckig, bis es mir schließlich gelungen ist, meine eigene Werkstatt aufzumachen. Ein viel größere Problem bestand darin, die Materialien und Werkzeuge zu bekommen: Verdünnung, Farbe oder Farbpistolen – es gab nichts. Wir haben damals viel improvisiert. Die Maschinen und Werkzeuge haben wir teilweise selbst gebaut und immer wieder repariert. Es wurde nichts weggeschmissen. Ich finde es sehr schade, dass heute zu schnell ausgewechselt wird, anstatt die Dinge zu reparieren. Ich trauere der Mangelwirtschaft aber nicht nach und war natürlich sofort begeistert von der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten.
1990 bekamen Sie als jüngster Unternehmer bei Ford einen Händlervertrag. War das Ihr Durchbruch in der Autobranche?
Ich hatte überlegt, ob ich mich um einen Händlervertrag bemühe und mich dann ausschließlich bei Ford beworben. Zu dem Zeitpunkt verkaufte ich Gebrauchtwagen, die ich in Hamburg oder Holland eingekauft hatte. Das lief sehr erfolgreich. Bis zur Währungsunion hatte ich bereits etwa 800 Autos verkauft. Und zwar auf angemieteten Märkten und Plätzen in den umliegenden Städten. Wir haben einen Verkaufswagen aufgestellt und sind als Karawane mit den Gebrauchtwagen dort hingefahren. Meine Mutter hat Kuchen gebacken und wir haben sieben Tage die Woche Autos verkauft. Wir konnten uns kaum retten vor Nachfragen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich wollte das Geschäft weiter ausbauen. Aber Bad Wilsnack ist eine sehr kleine Stadt mit nur 3 000 Einwohnern und meine Lackierwerkstatt lag am Waldrand, sie war als Standort für ein Autohaus fraglich. Aber bei Ford hat man über meinen Verkaufserfolg nur so gestaunt und so habe ich den Händlervertrag bekommen.
Was für ein Auto fuhren Sie damals?
Anfangs einen Wartburg und dann einen zum Werkstattwagen umgebauten Trabant. – Ein Fahrgefühl, das man sich heute kaum mehr vorstellen kann. Um so schöner ist es heute, wenn ich in meinen Range Rover einsteige. Ich habe jeden Tag viel Spaß und genieße dieses Auto.
Nachdem Sie bereits zahlreiche Filialen in Brandenburg eröffnet hatten, haben Sie 2004 den Schritt nach Berlin gemacht...
Zuerst habe ich eine Filiale in Oranienburg eröffnet und dann in Berlin-Reinickendorf. Damals konnte man ohne Herstellerzustimmung den Standort selbst bestimmen, vorausgesetzt man erfüllte dessen Standards für Verkauf und Werkstatt. Nach und nach kamen weitere Ford-Filialen hinzu, alles bestehende Häuser, die wir übernommen und neu aufgestellt haben.
Ihre Unternehmensgruppe beschäftigt deutschlandweit 1 280 Mitarbeiter und zählt zu den wachstumsstärksten Autohausgruppen hierzulande. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Wir leben das Thema Automobil. Mein Führungsteam und ich arbeiten komplett mit im Betrieb und sind voll und ganz ins Tagesgeschäft eingebunden. Viele Autohäuser haben dezentrale Büros und eine bewusste Distanz zu den Verkaufshäusern. Bei uns ist das Gegenteil der Fall.
Mit über 1 000 Beschäftigten tragen Sie viel Verantwortung. Wie motovieren Sie Ihre Leute?
Wir führen viele Gespräche mit unseren Mitarbeitern und achten darauf, dass die Mannschaft zusammenpasst. Es ist sehr wichtig, dass innerhalb der Abteilungen eine gute Stimmung herrscht. Um finanzielle Anreize zu schaffen, haben wir Leistungsmodelle eingeführt. In vielen Betrieben sieht man nicht, wenn jemand gute Arbeit leistet, weil sie nicht messbar gemacht wurde. Somit haben wir eigene IT-Systeme entwickelt, mit denen wir Leistung ermitteln und dementsprechend entlohnen können. So etwas motiviert. Bei uns gibt es auch für Kundenzufriedenheit eine Bonifizierung. Es gibt gute Aufstiegschancen innerhalb des Betriebs und eine interessante Aufgabenverteilung. Unser Betrieb ist wie eine große Familie, in der man viel Zeit zusammen verbringt.
Es mangelt in vielen Firmen an Azubis. Was machen Sie, um Nachwuchs in den Betrieb zu bekommen?
Ich hatte 2014/15 eine Ausbildungsoffensive gestartet, bei der wir in einem Jahr 100 Azubis eingestellt haben. Dabei haben wir nicht in erster Linie auf die Zeugnisse geschaut, sondern auch Bewerber mit einem schwierigen sozialen Hintergrund angesprochen. Wir haben jedem eine Chance gegeben, waren direkt mit Schulen und Elternhäusern in Kontakt. Es war ein Experiment herauszufinden, wie hoch die Erfolgsquote ist, wenn man sich intensiv bemüht. Dabei haben wir natürlich nicht nur gute Erfahrungen gemacht, aber das Projekt war insgesamt erfolgreich. In den Folgejahren haben zwischen 50 und 60 Auszubildende ihren Berufsabschluss bei uns gemacht. Die meisten von ihnen wurden als Facharbeiter übernommen und haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Wie sieht die Zukunft des Autos in Berlin aus?
Schwierig. Aber man kann nicht alle Probleme mit Fahrradfahren lösen. Ich selbst fahre auch Rad und mir ist klar, dass es nur den einen Planeten für uns gibt und wir sorgfältig mit ihm umgehen müssen. Die Autos, die wir heute verkaufen, sind sehr sauber. Und für die individuelle Mobilität ist das Auto unersetzlich. Es hat weiterhin seine Daseinsberechtigung. Es müssen Gesamtlösungen diskutiert werden, die Nahverkehrsmittel, Radfahrer, Fußgänger und Autos berücksichtigen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, selbst die Entscheidung treffen zu können, ob er Auto fährt, per Fahrrad oder lieber zu Fuß unterwegs ist.
Die Verkehrswende soll vor allem Fußgängern und Radfahrern zugute kommen. Autofahrern wird das Parken durch Umwidmen von Parkplätzen zu Fahrradstellplätzen und das Installieren von Pollern immer schwerer gemacht. Verlieren Ihre Kunden nicht den Spaß am Pkw?
Noch haben wir genügend Kunden, die weiterhin Spaß am Fahren haben oder auf ihr Auto angewiesen sind. Ich denke aber, dass ein bisschen weniger Auto auch geht. Zumal wir von einer ursprünglichen Stadtplanung ausgehen, die stark auf automobilen Straßenverkehr ausgerichtet war. Aus dieser Perspektive erscheint die Verkehrswende radikal. Grundsätzlich bin ich für eine Veränderung. Aber man muss vorab mit den Menschen sprechen und sie in Entscheidungen einbeziehen sowie verträgliche Lösungen anbieten. Gerade in der Pandemie stellen wir alle fest, wie wichtig Pkw und kleine Nutzfahrzeuge für uns alle sind. Ich möchte nicht mehr in einem System leben, in dem nur Verbote erteilt werden, sondern in dem wir demokratisch mitentscheiden können. Darum lebe und arbeite ich sehr gerne in Deutschland.
Luxusautos und Geländewagen erzeugen in Berlin zum Teil Unmut. Wirkt sich das auf das Geschäft mit teuren Automarken aus?
Das betrifft nicht nur teure Automarken. SUVs sind schon sehr lange beliebt. Die höheren Autos haben die herkömmlichen Kombis abgelöst. Der SUV gibt gefühlt mehr Sicherheit. Wenn man selbst ein solches Auto in der Stadt fährt, sollte man sich überaus rücksichtsvoll gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern verhalten. Es liegt am Autofahrer selbst, wie sein Umfeld auf ihn reagiert. Die Nachfrage nach SUVs ist unverändert hoch.
Was für ein Auto würden Sie am liebsten einmal fahren?
Mit meinem Range Rover bin ich wunschlos glücklich.
Wie viel freie Zeit haben Sie für andere Dinge als Autos bei Ihrem Arbeitspensum?
Heute mehr als früher. Ich verbringe gern Zeit mit der Familie, treibe Sport und interessiere mich für alles, was um mich herum passiert. Ich bin viel in Prenzlauer Berg unterwegs und spaziere gern durch den Mauerpark, ich mag die kleinen Restaurants und das bunte Kiezleben.
Danke für das Gespräch.
Ina Hegenberger