Gourmetführer über die Hauptstadt – ein Überblick.
Auch dieses Jahr ist Berlin die Stadt, an die die meisten Sterne des Guide Michelin vergeben wurden. Aber diese Bewertung ist eigentlich nur ein Ausschnitt.Neben dem Guide Michelin erscheinen zahlreiche weitere Gastronomieführer, die deutschlandweite Bewertungen vergeben. Gault & Millau, Schlemmer Atlas, Feinschmecker Reisetipps, Varta-Führer, der Grosse Guide von Bertelsmann, Gusto und der Metternich-Führer von Tre Torri sind nur einige, die dem Gast Orientierung bieten wollen.
Der Führer mit dem höchsten Renommee ist der Guide Michelin. Auch unter Köchen gilt der Bewertungsstandard des Guides, die Sterne, als Qualitätssiegel. Dabei steht für die Höchstbewertung immer noch der Grundsatz – drei Sterne: „eine Reise wert“. Neu dazugekommen ist die Auszeichnung „Bib Gourmand“, der besonders gute und günstige Adressen bewertet, also „gute Leistung zu moderaten Preisen“ anzeigt. Mit dieser Bewertung wird die Mittelklasse der Restaurants klassifiziert, die vorher keine Erwähnung fand und zudem mehr Leser ansprechen soll. Zusätzlich bietet der Guide Michelin als Dienstleister seit letztem Jahr Gastronomen die Möglichkeit, auf dem Portal des Guide Michelin ihr Restaurant in verschiedenen Aufmachungen zu präsentieren. Eine Überraschung ist dem Führer mit der Auszeichnung von Michael Kempf vom Facil Restaurant gelungen. Noch vor dem hoch gehandelten Matthias Dieter bewertete ihn der Michelin mit dem zweiten Stern. Michael Hoffmann wurde der Stern im Margaux aberkannt. Eine Entscheidung, die ihn vielleicht wegen seiner Ankündigung zu schließen, nicht mehr schmerzt. Weitere Zwei-Sterne-Restaurants sind das Tim Raue, das Fischers Fritz, das Lorenz Adlon Esszimmer und das Reinstoff. Neu im Kreise der Ein-Stern-Restaurants sind Les Solistes by Pierre Gagnaire, das 5-cinco by Paco Pérez und der Pauly Saal. Michael Höpfl vom Pauly Saal ist ehemaliger Souschef von Michael Hoffmann und verfolgt ein ähnliches Konzept. Ihren Stern verteidigen konnten das Hartmanns, First Floor, Horváth, Hugos, Rutz und Vau.
Der Gault & Millau ist in seinen Kritiken ausführlicher als alle anderen Mitbewerber. Anders als im Guide Michelin wird stärker das Küchenkonzept und weniger das Interieur des Restaurants bewertet. Der Leser erhält einen differenzierten Text über das getestete Essen, Inneneinrichtung und Personal des Restaurants. Bewertet wird nach dem französischen Schulnotensystem mit maximal 20 Punkten. Zusätzlich sind eine bis vier Hauben ein Kriterium. Von einer Haube, die 13 und 14 Punkten entspricht: „sehr gute Küche, die mehr als Alltägliches bietet“ bis vier Hauben, die 19 und 19,5 Punkte bedeuten: „Höchstnote für die weltbesten Restaurants“. Die 20 Punkte wurden in Deutschland noch nicht vergeben.
Daniel Achilles wurde zum Koch des Jahres des Gault & Millau gewählt, Tim Raue zum Restaurateur des Jahres.
Der Feinschmecker Reise Guide folgt den Bewertungskriterien des gleichnamigen Magazins. Die Tester sind in der Regel Journalisten, die im jeweiligen Bundesland für das Magazin arbeiten, im Streitfall entscheidet die Redaktion in Hamburg mit. Der Guide hat den Vorteil, dass die Tester für das Magazin regelmäßig und umfassend in der Stadt berichten und diese Bewertungen in den Guide einfließen. Die Texte sind kurz und kritisch, aber ausführlich genug, um sich einen Eindruck von den Speisen, dem Koch und dem Ambiente zu machen. Die Höchstbewertung sind fünf „F“. In Berlin bekommen Fischers Fritz, Tim Raue und Margaux 4 „F“, Reinstoff, Facil, Lorenz Adlon Esszimmer und First Floor: 3 1/2 „F“, Frühsammers, Hugos, Les Solistes und Rutz: 3 „F“. Tim Raue ist auf Platz 1 der besten Trendküchen des Feinschmecker Reise Guides, auf Platz 9 folgt das Reinstoff. Bei den besten Szenerestaurants liegt der Pauly Saal auf dem zweiten Platz, Grill Royal auf dem sechsten, das Borchardt auf dem siebten, The Grand auf Platz 10. Das Facil belegt den siebten Platz der besten Service-Teams.
Der Varta-Führer wirbt mit einer hohen Anzahl an getesteten Hotels und Gaststätten. In Berlin wurden aber weniger beschrieben als im Guide Michelin. Ausgezeichnete Restaurants erhalten den sogenannten Varta-Tipp, der für exzellente Küchen-leis-tung, kreative Zubereitung und professionelle Präsentation steht. In Berlin sind das Fischers Fritz, Lorenz Adlon Esszimmer, Les Solistes by Pierre Gagnaire, Hugos, First Floor, Facil, Reinstoff, Tim Raue, Vau und Rutz Restaurant. In kurzen Texten werden der Koch und das Restaurant beschrieben, ohne Bewertungskriterien zu nennen.
Beim Grossen Restaurant & Hotel Guide 2014 von Bertelsmann erfolgt die Klassifikation nach einem Fünf-Punkte-System: niedrigste Bewertung ist eine Haube, sie steht für „lobenswerte Küche“, höchste fünf Hauben für das „Restaurant mit einer der besten Küchen“. Die Hauben-Klassifizierung bezieht sich nur auf die Küchenleistung, der Service und die Weinkarte werden separat mit Hemden bewertet. Zusätzlich finden sich Restaurants in einer Gerolsteiner Liste wieder, die aber nur online abrufbar ist. Die Texte sind kurz und sprachlich antiquiert, aber ausführlicher als im Guide Michelin oder Varta-Führer. Eine Vielzahl an Klassifikationen erschwert anfangs die Orientierung. Fünf Hauben erhält das First Floor, viereinhalb Hauben das Lorenz Adlon und Fischers Fritz, und vier Hauben gehen an Margaux, Reinstoff, Facil, Tim Raue, Vau, Les Solistes by Pierre Gagnaire und Weinbar Rutz Restaurant.
Der Jüngste unter den einschlägigen Guides ist der Gourmetführer Gusto. Er will „fachlich versierte, nachvollziehbare, möglichst objektive Restaurantkritik“ bieten. Basis dafür sind regelmäßige unangemeldete Testbesuche. Die hohen Kosten dafür können nicht aus den Guide-Verkäufen abgedeckt werden. Daher erhebt Gusto eine „Unkostenpauschale“ in Höhe von 189,00 €, die den Restaurantbesitzern die Darstellung in der Buchausgabe und in der Internetausgabe garantiert. Den Restaurants wird außerdem der Rechnungsbeleg zugestellt, der beweisen soll, wann und was getestet wurde. Es werden aber auch „zugunsten der Vollständigkeit“ Häuser aufgenommen, die sich nicht beteiligen. Gusto bewertet mit fünf bis zehn Pfannen: fünf Pfannen erhalten Restaurants mit handwerklich sorgfältiger Zubereitung mit solidem Niveau. Zehn Pfannen stehen für Perfektion in allen Bereichen ohne Qualitätsschwankungen. Gusto bietet ähnlich umfangreiche Texte wie der Gault & Millau. Mit einem eleganten Sprachstil wird auf die Eigenheiten des Restaurants eingegangen. Vor allem die getesteten Gänge werden genau beschrieben. In Berlin wurde mit zehn Pfannen nur das Lorenz Adlon bewertet. Neun Pfannen erhielten Les Solistes, Fischers Fritz, Facil, Margaux und Tim Raue. Acht Pfannen erkochten sich Cinco, First Floor, Horváth, Hugos, Reinstoff und Rutz Restaurant.
Der Metternich Guide von Tre Torri ist ein Weinrestaurant-Guide. Es ist ein Perspektivwechsel, Restaurants und Weinbars aus der Sicht des Weintrinkers wahrzunehmen. Restaurants werden mit einer bis fünf Flaschen mit Stern respektive Gläsern eingeordnet. Diese Klassifizierung ist keine Bewertung sondern spiegelt den Umfang der Weinkarte wider. Von einer Flasche, die 50 Positionen entspricht, bis fünf Flaschen plus Stern, die für eine Karte von Weltklasse stehen. Die Texte führen Weinpreise, Schwerpunkte der Weinauswahl, Sommelier und Ambiente auf. Sie sind sorgfältig geschrieben, gehen sehr individuell auf den Sommelier und das Haus ein und stellen diese ausgiebig vor.
Der Schlemmer Atlas vergibt Kochlöffelsymbole, wobei ein Kochlöffel für „ambitionierte Küche“ steht, während die Höchstwertung fünf Kochlöffel beträgt. Kriterien sind Restaurant mit hervorragender Küche, erstklassige Grundprodukte, hohe Kreativität und Qualität bei bestmöglicher, vor allem einfallsreicher Zubereitung der Speisen, ausgewählte große Weine und ausgezeichneter Service in entsprechender Atmosphäre.
Generell haben alle Gastronomie-Führer ein Problem in Berlin: Die Qualität der Restaurants wird immer besser. Die wachsende Zahl an Restaurants, die zu testen sind, kann kaum mehr bewältigt werden. Die Verlage müssen sich auf einem Markt drängen, auf dem sich immer mehr gedruckte Gastro-Guides tummeln. Dazu gibt es eine wachsende Anzahl Gastronomie-Empfehlungen auf kostenlosen Online-Portalen. Schwere Zeiten, um die wirtschaftliche Existenz zu sichern und unabhängige Kriterien der Empfehlung zugrunde zu legen. Beim Guide Michelin beispielsweise erhält der Leser sehr wenig Informationen. Da die Restaurants nicht alphabetisch aufgeführt werden, ist die Orientierung mühselig.
Varta und Bertelsmann verfolgen einen ähnlichen Stil. Varta testet laut Beschreibung auf der Klappe 7000 Betriebe. Die Prüfer von Bertelsmann fahren in die Schweiz, nach Österreich, ins Elsass und nach Italien. Der Gault & Millau testet weniger Restaurants, ist aber bei der Länge der Texte und dem Unterhaltungswert unübertroffen. Der Feinschmecker Reisetipps beschreitet einen Mittelweg zwischen Michelin und Gault & Millau. In den kompakten Texten steckt journalistische Qualität. Der Gusto ist eine Ausnahme. Er versucht seine Vorgehensweise transparent zu machen. Geboten wird eine genaue und unterhaltsame Beschreibung des Restaurants, aber wenig offene Kritik. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Beurteilung der Kritiker. So wurde das Cinco by Paco Pérez vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet, während er beim Gault & Millau mit einem ausführlichen Text und nur 11 Punkten abgestraft wurde.
Florian Bolk
Florian Bolk ist Herausgeber des Magazins Le Schicken
www.le-schicken.de