... mit diesen Worten macht die Hilfsorganisation „Weißer Ring“ Mut für den ersten Schritt und unterstützt seit fast 40 Jahren Kriminalitätsopfer beim Vorwärtsgehen zurück ins Leben.
Opfer einer Straftat kann jeder werden. Das scheint unvorstellbar in Momenten, wo die Sonne scheint und das Leben im Fluss ist. Richard Oetker, eines der prominentesten Opfer Deutschlands, wurde am 14. Dezember 1976 als 24-jähriger Student entführt, als er eine Vorlesung in München vorzeitig verließ. Er wurde bei einer Körpergröße von 1,94 Metern gezwungen, in eine Kiste von 1,46 Metern steigen. Durch die erzwungene Embryonalstellung erlitt er lebensbedrohliche Lungenquetschungen. Seine Hände und Füße waren mit Handschellen fixiert, die an einem Stromkreis angeschlossen waren. Ein schwerer Strom--
stoß- und die Enge der Kiste hatten Brüche der Brustwirbel und beider Oberschenkelhalsknochen zur Folge. Schwer verletzt kam er gegen eine Lösegeldzahlung in Höhe von 21 Millionen DM frei. Fast 50 Stunden dauerte das Ungeheuerliche. Es hat sein ganzes Leben verändert, seine Gesundheit und sein Wissen über sich selbst.
Bemerkenswert offen und sachlich sprach Richard Oetker jetzt darüber und über seinen Weg aus der Opferrolle. Zu Gast in der Berliner PanAm Lounge bei einer Veranstaltung der „Weißer Ring Stiftung“, deren Vorstandsvorsitzender er ist. Besonders hob er hervor, wie schwer der Kontakt mit Menschen ist, denen Schreckliches widerfahren ist. Vor allem auch für Angehörige. „Wir Menschen haben nie gelernt, wie man damit umgeht“, sagt Richard Oetker und ermutigt, Hemmnisse zu überwinden und sensibel herauszufinden, ob das Opfer sprechen will. Die Möglichkeit, sich alles von der Seele zu reden, ist lindernd und rückt die Erlebnisse in eine neue Perspektive.
Damit Menschen, denen Ge-walt angetan wurde, nicht alleine dastehen, auch rechtlich, wurde 1976 der gemeinnützige Verein „Weißer Ring“ gegründet. Er hat heute über 50 000 Mitglieder und bundesweit 420 Anlaufstellen mit rund 3 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Einsatz. Beeindruckende Zahlen und erschütternd zugleich, geben sie doch Auskunft über die Rate an Kriminalität. Sie reicht von Gewalt, Missbrauch bis hin zum Raub. Zu jeder einzelnen Tat gehören Opfer, die Beistand benötigen. Von der Begleitung zur Polizei, zur Staatsanwaltschaft und zum Gericht, der Überna-hme von Anwaltskosten bis hin zur finanziellen Unterstützung gehen die Hilfsmöglichkeiten des Weißen Rings. Neben der Opferhilfe und dem öffentlichen Eintreten für die Kriminalitätsopfer gibt es aber noch ein Ziel, das der Kriminalitätsvorbeugung. Mit Aktionen, Ausstellungen und Kampagnen und dem jährlichen „Tag der Kriminalitätsopfer“ macht die Organisation auf Gewalttaten aufmerksam und fordert alle gesellschaftlichen Bereiche zum klaren Bekenntnis für die notwendige Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Geschädigten auf. Die selbstständige Stiftung unterstützt als Förderstifter des „Weißen Ringes“ diese Arbeit nachhaltig. Eben auch mit Veranstaltungen, wie kürzlich in Berlin, an der unter anderem auch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) oder Polizeipräsident Klaus Kandt zu Gast waren. „Wie ein Tropfen Wellen schlägt und deren Kraft und Energie verstärkt, so verstärkt jede Zustiftung die Tatkraft des ‚Weißen Rings‘ bei der Hilfe für Kriminalitätsopfer“, sagt Richard Oetker.
Barbara Sommerer