Nudel-Krimi mit Happy End

Doris Burneleit, Patronin in der „Trattoria Paparazzi“ in Prenzlauer Berg, wollte einfach kochen, was ihr schmeckt – dann stand die Stasi da, der US-Botschafter fuhr mit Limousine vor, Rom dachte, sie sei Spionin. Stefan Elfenbein sprach mit der Frau, die als Einzige in der DDR ein italienisches Restaurant besaß.

Frau Burneleit, warum Sie? Woher die italienische Zunge? Groß geworden sind Sie im Benndorf am Südharz, Italien war jwd, hinterm Eisernen Vorhang …

… und Spaghetti gab’s nur beim Klassenfeind. Für mich gekocht hat aber meine Oma Kläre, anfangs auch mein Großvater. Im Krieg hatte er einiges abgekriegt, war im Lager. Sein Weg zu geben, war, uns zu zeigen, wie man Nudeln selber macht, Tomatensauce einkocht, stundenlang! Einmal haben wir im Laden Basilikumsamen entdeckt. Keiner im Ort wusste damit etwas anzufangen. Opa schon! Beim Essen erzählte er von Antonio, dem italienischen Koch im Lager, seinem Freund. Bei uns gab’s richtige Spaghetti Bolognese! Das sagte man aber nicht. Man sagte ja auch nicht, dass man West-Fernsehen schaute. Wir kochten Nudeln.

Wann wurde Ihnen klar, dass Sie subversiv gegessen hatten?

Viel später. Ich ging nach Berlin, studierte Wirtschaft, um es allen recht zu machen. Nebenbei jobbte ich als Kellnerin in einem Restaurant. Der Koch war aber immer krank. Wir hatten Angst, dass zugemacht wird. Also bin ich in die Küche. Das hat mir Spaß gemacht. Und wozu in einer Mangelwirtschaft in der Wirtschaft wichtig tun! Ich wollte mehr. 1982 beantragte ich die Erlaubnis, ein „Nudelrestaurant“ eröffnen zu dürfen. Fünf Jahre später stand ich schließlich vor einem Herrn vom Amt, der meinte: „Wir haben uns doch verstanden! Sie machen was mit Berliner Kolorit!“ Da, in dem Moment, hat’s gereicht. Ich wollte mein italienisches Restaurant, ein Ort, wo alles lecker ist, keinen Bierkeller! „Jetzt passen’se mal uff“, habe ich gesagt … und es war damals nicht so, dass man Wünsche äußern durfte, man konnte froh sein, wenn man überhaupt Räume zugewiesen bekam, irgendwelche, irgendwo.

1987 hat Ihr „Fioretto“ in Köpenick aufgemacht …

… mit italienischer Karte, aber Produkte gab’s kaum. Ich habe getüftelt. Für „Ricotta“, „Mascarpone“ habe ich Quark, Sahne mit Milchbakterien aus der Apotheke angesetzt. Den Edamer aus dem Konsum habe ich in ein Tuch gewickelt und in die Esse gelegt, dann immer wieder mit Weißwein übergossen und langsam getrocknet, bis eine schöne Kruste zum Reiben da war – das war dann unser „Parmesan“. In der Esse habe ich auch Schinken und Salami veredelt. Oma Kläre, mein Großvater, Antonio waren in Gedanken immer bei mir. Und probiert haben die Bauarbeiter. Die Eröffnungsphase hat lange gedauert. Die Arbeiter wurden und wurden nicht fertig. Erst viel später habe ich erfahren, dass sie einfach weiter essen wollten. Dann kam ich auf die Idee, richtige Italiener zu fragen, ob alles so richtig schmeckt. Ich bin zur Botschaft Unter den Linden. 

Einfach so? 

Da stand ein Wachposten davor. Ich bin einfach hin und habe gesagt, „ich will ein italienisches Restaurant aufmachen“, ob sie vielleicht ein paar Kochbücher hätten und ob der Botschafter vielleicht mal zum Essen kommen wolle, ich würde ihn auch einladen, das wäre jetzt nicht so, dass er bezahlen müsse, nur mal schauen, ob ich auf dem richtigen Weg sei. Dann stand ich vor dem Botschafter, einem Sizilianer. Er kam dann auch wirklich nach Köpenick, mit ihm telefoniere ich heute noch. Der eine in der Botschaft dachte, ich wäre so ein bisschen durcheinander, vom Mond, ein anderer meinte zum Botschafter, ich sei von der Stasi – und im Restaurant seien bestimmt überall Kameras installiert, so richtig James-Bond-mäßig. 

Aber es kamen ja tatsächlich auch andere.

Und viele schauten. Immer wieder standen West-Autos von Gästen vor der Tür. Die Nachbarn haben mich regelmäßig angeschwärzt; Neid, Vorteilssuche! Ja, und dann kam der amerikanische Botschafter, mit Chauffeur und Limousine sei er vorgefahren, hieß es. Am nächsten Morgen stand nämlich prompt die Stasi vor mir: Die fragten, was er wollte. Ich war platt, platt weniger über die Stasi, als über die Amerikaner im Haus – und konnte auch gar nichts sagen. Ich hab’ ja gekocht, war immer am Herd. Ich bin damals ja regelrecht hochgeschossen, so wie im Riesenrad. Ich war 31. 1987 war dann auch die 750-Jahr-Feier. Ost-Berlin wollte Offenheit demonstrieren. So ein bisschen kam ich denen wohl entgegen, die DDR-Presse schrieb über mich, lobte die Initiative. Ich bekam sogar mal Artischocken – wie man die schälte? Keene Ahnung! Das West-Fernsehen kam.

Und als die Mauer weg war?

… bin ich erstmal nach Italien gefahren und nach Spanien, Australien. Dann habe ich das Paparazzi aufgemacht. Bis heute kommen Gäste, die ganz am Anfang bei mir in Köpenick waren, Leute, denen ich wirklich was gegeben habe, auch Mut, Kraft. Das macht mich stolz. Ich bin meinen geraden Weg gegangen, bin ich selber geblieben … aber wir könnten jetzt hier quatschen und quatschen – und dabei muss ich in die Küche. 

Spaghetti mit sardischer Bottarga gibt’s heute und Ossobuco mit Steinpilzrisotto und unsere Malfatti in Salbeibutter. Bleiben Sie doch zum Essen.

 

„Trattoria Paparazzi“
Husemannstr. 35, 10435 Berlin, 
Tel. 030-4407333, www.trattoria-paparazzi.de

Weitere italienische Restaurant-Empfehlungen von Stefan Elfenbein: 

„Hartweizen“
Torstr. 96, 10119 Berlin, 
Tel. 030-28 49 38 77, www.hartweizen.com 

„Petrarca“
Novalisstr. 8, 10115 Berlin, 

Tel. 030-98 34 35 52, www.petrarcaberlin.com

„Ponte“
Regensburger Str. 5, 10777 Berlin, 
Tel.030-21 91 24 10, www.ponte-berlin.de

„Trattoria a Muntagnola“
Fuggerstr. 27, 10777 Berlin,
Tel. 030-211 66 42, www.muntagnola.de

 

03 - April 2015