In Berlin schmeckt’s

Kulinarische Streifzüge quer durch die Stadt.

Vom Eckimbiss bis zum gestärkten weißen Tischtuch – in Berlin kann man es sich an immer neuen Orten schmecken lassen, und es gibt kaum einen Winkel, wo sich nicht die eine oder andere manchmal auch ungewohnte Köstlichkeit entdecken ließe. Unsere Autorin Susann Sitzler ist schon einmal vorgegangen.

 

Affenliebe – das Gestalten am Breitscheidplatz


Ein Ort, wie er in der Gegend am Zoo lange gefehlt hat: charmant, stilvoll, unkompliziert [Foto: www.news.gestalten.com/pavilion]

Die Eröffnung des Bikini-Hauses am Breitscheidplatz im Frühjahr 2014 hat die Aufmerksamkeit von Einheimischen und Touristen gleichermaßen auf sich gezogen. Von Anfang an zum Lieblingsort entwickelte sich die Aussichtsterrasse auf dem Dach. Von hier hat man einen bezaubernden Blick auf die Affen im Zoo. Aber auch der „Gestalten Pavilion“ ist ein Grund, dort oben zu verweilen. Angeschlossen an den gleichnamigen Design- und Accessoire-Laden ist es ein Café, wie es in dieser Gegend lange gefehlt hat: Ästhetisch, aber gelassen. Stylisch, aber ohne Arroganz. Und mit einer originellen, qualitativ überzeugenden Karte.

Besonders charmant sind die Alternativen zum Kuchen, etwa Hafergrütze mit getrockneten Beeren oder herzhaft marinierte Gemüsesticks. Ein Geheimtipp aber sind die „Brotscheiben mit Butter und Salzen“: Auf einem kräftigen Holzbrett kommt eine großzügige Portion dunkles Brot mit Butter und einer Auswahl an verschiedenen Salzsorten wie Himalayasalz, Lavendelsalz und Pfeffersalz – für 5 Euro. Ein wenig erinnert das an die Zeiten, als eine Stulle mit Butter das höchste der Gefühle war. Dieser leichte Retro-Einschlag macht den Charme vom Gestalten Pavilion aus. Und natürlich die Affen, denen man hier beim Toben zusehen und sich freuen kann, dass in diesem Teil Charlottenburgs endlich wieder Stil eingezogen ist.

Gestalten Pavilion
Budapester Straße 38–50 (Dachgarten), Charlottenburg, Tel. 030/26 55 88 24,
geöffnet täglich 10 bis 22 Uhr, Reservierung nicht notwendig,
Vegetarische Gerichte: ja,
Vegane Gerichte: nein,
Preise Hauptgang: 7 bis 18 Euro

 

Korea in Kreuzberg – das Angry Chicken am Mariannenplatz


Asiatische Köstlichkeiten und gute Laune zu fairen Preisen [Foto: www.angry-chicken.com]

Grellgelb brüllt die Schrift vor kreischend pinkfarbenem Hintergrund. Das Schild des „Angry Chicken“ am Kreuzberger Mariannenplatz dürfte auf zarte Gemüter eher abschreckend wirken. Dabei geht es in diesem koreanischen Imbiss ganz freundlich zu. Gesittet reihen sich die einheimischen und durchreisenden Hipster vor der Kasse, um beim fröhlichen und geduldigen Personal ihre Bestellung aufzugeben. Auf der großen grafischen Wandkarte im Comicstil haben sie während des Wartens ihre Wahl getroffen. Es gibt Burger, koreanischen Kimchi-Salat und auch das Nationalgericht Bibimpab, eine Art Eintopf aus Reis, Gemüse und Spiegelei. Im Mittelpunkt stehen aber eindeutig die frittierten Hühnerfilets, für die die meisten Gäste kommen. Es gibt sie tränentreibend scharf als „so so angry chicken“ und gutmütig mild mit Sojasoße und Knoblauch als „sexy chicken“. In jedem Fall sind sie frisch, würzig und sehr kross. Beliebteste Beilage sind die Süßkartoffelfritten, die als süßlich-knusprige Locken aufgetragen werden und in mehrere Varianten von gewürzter Soße gedippt werden können. Im Angry Chicken isst man schnell, stylisch und mit guter Laune. Das Huhn ist hier nämlich gar nicht wütend. Der Name und die asiatische Manga-Ästhetik sind nur ein Verweis auf seine Heimat Südkorea.

Angry Chicken 
Oranienstraße 16, Kreuzberg, Tel. 030/69 59 94 27,
geöffnet täglich 12 bis 22 Uhr, Reservierung nicht notwendig,
Vegetarische Gerichte: ja,
Vegane Gerichte: ja,
Preise Hauptgang: 4,50 bis 7 Euro

 

Mit Herz und selbst gebrautem Bier – das Vaust in Charlottenburg


Ein Lokal wie viele und dennoch ein kulinarischer Geheimtipp für Freunde der rein pflanzenbasierten Kochkunst [Foto: Vaust]

Was bedeutet nochmal „vegan“? Und – viel wichtiger: schmeckt es? Ganz so einfach ist es gar nicht, die neuen, stylischen Ernährungsrichtungen auseinanderzuhalten. Für Leute, die Lust auf Experimente haben, ohne sich als Anfänger outen zu wollen, ist das Vaust in Charlottenburg ein idealer Ort, um die vegane Küche kennenzulernen. Vegan bedeutet, dass vollständig auf tierische Produkte verzichtet wird. Dass Essen trotzdem herzhaft schmecken kann, beweist Wirt Wolfgang Grabolle in seinem Restaurant. Sein leuchtend violetter Borschtsch tritt auf der Karte zwar als Vorspeise an, ist aber mit vielerlei Kohl, Getreidekörnern und einem Klacks Schmand aus Sojamilch so deftig und köstlich, dass er als Hauptgericht ausreicht. Noch raffinierter sind die Zucchiniröllchen mit einer Füllung aus fein gewürfeltem Tofu und einer Creme aus weißen Bohnen, die völlig vergessen lässt, dass hier weder Sahne noch Käse verwendet wurden. Das Vaust liegt in einem ruhigen Abschnitt der Pestalozzistraße. Farbige Wände, schlichte Holztische – und aus dem Zapfhahn selbst gebrautes Bier. Der Inhaber ist gelernter Brauer. Das Vaust ist sein Herzensprojekt, das der Tierschützer zusammen mit seiner Partnerin betreibt. Dabei kommen beide ganz ohne Lifestyle-Firlefanz aus. Darum kann hier jeder, egal ob geübter Veganer oder neugieriger Neueinsteiger, eine köstliche Küche mit Herz kennenlernen – für die kein Tier sein Leben geben musste.

Vaust Braugaststätte
Pestalozzistraße 8, Charlottenburg, Tel. 030/54 59 91 60,
geöffnet Dienstag bis Samstag, 17 bis 23 Uhr, Reservierung empfohlen,
Vegetarische Gerichte: nein,
Vegane Gerichte: ja,
Preise Hauptgang: 8,90 bis 14,50 Euro

 

Nicht ganz koscher –  das Masel Topf in Prenzlauer Berg


Das gemütliche Lokal befindet sich direkt am Wasserturm [Foto: Restaurant Masel Topf]

Kaum jemand kann an der warm leuchtenden Fensterfront des im letzten Jahr eröffneten „Masel Topf“ in Prenzlauer Berg vorbeigehen, ohne einen Blick auf die Angebotstafel zu werfen. Und kaum jemand kommt dann ohne fragenden Blick aus: Jüdische Küche? Was genau versteht man darunter? Darauf geben die Betreiber des direkt am Wasserturm gelegenen Lokals gerne eine Antwort. Mit einem Augenzwinkern, wie das Wortspiel im Namen schon verrät, der sich vom hebräischen Glücksspruch „Masel tov“ ableitet. So liebevoll und fürsorglich, wie die Oma des Besitzers auf einem vergrößerten Foto an der Wand ihren kleinen Enkel füttert, zeigt sich hier die jüdische Küche, beeinflusst von Traditionen aus Israel, Osteuropa und New York. Es gibt wunderbar weiches, briocheartiges Halla-Brot, würziges Pastrami, kräftige Sößchen und Marinaden sowie allerlei eingelegte Gemüse, die großzügig die meisten Speisen ergänzen. Das Carpaccio von der Gelben Bete etwa sieht auf den ersten Blick aus wie Räucherlachs, schmeckt aber köstlich erdig – und nach Karamell. Moderne jüdische Küche, lernen wir hier, bedeutet nicht automatisch koscher. Koscher ist das Essen im Masel Topf nämlich nicht – unter dem Titel „Reiz des Verbotenen“ gibt es sogar einen Spieß mit Schweinefleisch. Aber auch der traditionelle Gefilte Fisch wird interpretiert. Er kommt als sorgfältig gedrechselter Fischklops. Nicht jedermanns Sache, aber wer den puren Geschmack des Zanders mag, wird hier einen überraschend klaren Genuss, dekoriert von feinem Apfelkren, finden. Wesentlich kräftiger sind „Momes Fläischrulet“: Kalbsroulädchen mit eingewickelten Aprikosen und Spinatblättern, kräftig angebraten und mit einer köstlichen Bratensoße serviert. Dazu gibt es zwei Mürbeteigküchlein mit Kürbis und Walnuss in geschmolzenem Käse. Wer jetzt noch Nachtisch schaffen will, braucht eine Pause. Ohnehin sollte man Zeit mitbringen, wenn man im Masel Topf isst. Nicht nur, weil der Service kein bisschen hektisch ist. Sondern auch, weil man hier tafelt wie an einem Wochenende bei der Oma – mit Genuss und Liebe. Und den ganzen Abend lang.

Masel Topf
Rykestraße 2, Prenzlauer Berg, Tel. 030/ 44 31 75 25,
geöffnet Montag bis Sonntag, 18 bis 1 Uhr. Reservierung empfohlen,
Vegetarische Gerichte: ja,
Vegane Gerichte: nein,
Preise Hauptgang: 14 bis 17 Euro

 

 

 

 

03 - April 2015
Genuss