Kulinarische Streifzüge quer durch die Stadt.
Vom Eckimbiss bis zum gestärkten weißen Tischtuch – in Berlin kann man es sich an immer neuen Orten schmecken lassen, und es gibt kaum einen Winkel, wo sich nicht die eine oder andere manchmal auch ungewohnte Köstlichkeit entdecken ließe. Unsere Autorin Susann Sitzler ist schon einmal vorgegangen.
Vietnam in Style – das Chum & Friends in Friedrichshain
[Foto: Chum&Friends]
Asiatisch Essen in Berlin hat sich gewandelt: Mit „Chinapfanne“ und Glutamatküche haben moderne Lokale wie das „Chum & Friends“ in der Niederbarnimstraße nichts mehr zu tun. Stattdessen sticht das vor Kurzem eröffnete Lokal durch seine kunstvolle Optik zwischen den ganzen Sättigungsbetrieben an dieser Ausgehmeile hervor. Das Ambiente balanciert gekonnt zwischen clean und düster; grobe Holztische, Vogelkäfige und Limonade in dickbauchigen Einmachgläsern locken schon vor der Tür.
Der in seiner Dunkelheit leicht an eine Opiumhöhle erinnernde Innenraum ist aufgeteilt in einen „westlichen“ Teil mit Tischen und Stühlen und einen „östlichen“ Teil, wo man bei gegebener Gelenkigkeit stilecht und entspannt am Boden speisen kann. Die Karte verbindet Klassiker wie Glasnudelsalat und Sommerrollen mit Experimenten, etwa einer Art Austern-Tapas. Zahlreiche Speisen sind auch in vegetarischen und teilweise veganen Varianten zu bekommen. Fast alle sind sie mit ausladenden Kräuterbüscheln dekoriert und halten sich nicht immer an die Begrenzung der Teller. Zum Nachtisch gibt es „Matcha Mille“ – eine Art Crêpes aus so bröseligem wie schmackhaftem Grünteeteig. Das junge Team hat ausnehmend gute Laune. Das macht die Anfangsschwierigkeiten des manchmal etwas ungelenken Service gegenwärtig noch wett. Vielleicht ist auch das Teil der Inszenierung. Denn „Chum & Friends“ präsentiert die Speisen so wild und beiläufig, als würden sie in einer WG-Küche aufgetischt
Chum & Friends
Niederbarnimstraße 17, Friedrichshain
Tel. 030/22 35 89 20, https://www.facebook.com/chumandfriends?ref=br_rs
geöffnet täglich ab 12 Uhr, Sa und So ab 13 Uhr bis Mitternacht
Reservation möglich
Vegetarische Gerichte: ja
Vegane Gerichte: ja
Preise Hauptgang: 4 – 12 Euro
Behindertengerecht: nein
Das süße Leben in Blätterteig – Barcellos Salon Sucré
[Foto: Foto: Egbert Idler]
Ein Hauch der „fabelhaften Welt der Amélie“ weht immer durch den winzigen, wie hingezauberten Laden am hintersten Eck des Görlitzer Parks. Der süße Duft von Teig liegt in dem pastellfarbenen Raum. In den beiden schlanken Vitrinen türmen sich elegante Schinkencroissants, federleichte Madeleines und strahlende Torten. Doch nicht deutsche Opulenz steht hier im Mittelpunkt, sondern die Raffinesse der französischen Patisseriekunst. Der Chef der Öfen, Eric Muller, kommt aus Strasbourg und ist ein ernsthafter Handwerker. Unter einer riesigen Patissiersmütze macht er sich an vielen Tagen die Mühe, die Schichten seines Blätterteigs von Hand auszurollen und ihn immer wieder zu falten, bis die Köstlichkeit den französischen Namen verdient: millefeuilles – „tausend Blätter“. Bereits seit 15 Jahren besteht dieses Juwel, und die Stammgäste, die nicht selten durch die ganze Stadt anreisen, wissen: Wenn der Vorrat der Vitrinen erschöpft ist, muss man bis zum nächsten Wochenende warten. Aber einen perfekten Espresso oder Café au Lait gibt es natürlich allemal. Das eigentliche Kuriosum des „gezuckerten Salons“ liegt übrigens – durch kein Stäubchen verraten – hinter einer unauffälligen Schiebetür. Dort wirkt nämlich Eric Mullers Frau Katia Barcellos. Im vielleicht kleinsten Friseursalon der Stadt macht sie mit der gleichen Akkuratesse wie ihr Mann die Kunden glücklich: mit einer neuen Frisur.
Barcellos Salon Sucré
Görlitzer Straße 32A, Kreuzberg
Tel. 030/612 27 13, www.salonsucre.de
geöffnet Freitag bis Sonntag 10 – 18 Uhr, Reservation nicht möglich
Vegetarische Gerichte: ja
Vegane Gerichte: nein
Preise Gebäck: ab 3 Euro
Behindertengerecht: nein
Fine Dining mit Herz – das Filetstück in Charlottenburg
[Foto: URBAN RUTHS]
Wer sich schüttelt, wenn er zu genau darüber nachdenkt, was es heißt, ein Tier zu essen, der ist im „Filetstück“ in Wilmerdsorf fehl am Platz. Wer aber Mut hat, sich auf kraftvolle Nahrung einzulassen, der findet hier etwas Besonderes: den direkten Draht zum Fleisch sozusagen. Das Personal kann man sich dabei wie eine Boygroup vorstellen. Restaurantleiter Mayk Blattgerste tritt als charmanter Conferencier auf, Sommelier Jan Buhrmann als zupackender Versorger, Küchenchef Sascha Ludwig als schüchterner Tüftler. Was alle verbindet: die Lust, den Gästen zu zeigen, wie man Tieren, die für unseren Genuss ihr Leben lassen mussten, die größtmögliche Ehre erweist. Das tun sie in kompromissloser Qualität, mit bodenständigem Zugriff und in feinfühligen, abgründigen und manchmal geradezu humorvollen Zubereitungsarten. Herzstück der Karte ist das 4- bis 7-gängige Gourmetmenü. Das davor gereichte Knäckebrot mit Kreuzkümmel hängt den feinsten Cracker mühelos ab. Die Markbutter zum Brot wird radikal in einem Stück ausgehöhlten Beinknochens aufgetischt. Der Kaninchengang ist so spielerisch angerichtet, dass man sich nicht über ein Büschelchen Heu auf dem Teller wundert. Ganz pur kommt dann der Nackenkern Presa Bellota vom iberischen Schwein, ein Höhepunkt des Menüs – schmelzend mürbe mit überbordendem Geschmack. Und nur gerade so groß, dass man einerseits zufrieden ist und sich andererseits etwas mehr davon wünscht. Solche Stimmungsschwankungen fängt der Sommelier rechtzeitig mit dem nächsten Weingang ab. Herzhaft und ohne Berührungsängste gibt er den Takt des Abends vor. Seine Weine und Spirituosen sind auf den Punkt ausgewählt und lassen trotzdem Platz für leidenschaftliche Diskussionen. Manchmal ist das Leben für uns Glückliche tatsächlich wie ein saftiges Filetstück.
Filetstück – das Gourmetstück
Uhlandstraße 156, Wilmersdorf
Tel. 030/54 46 96 40, www.filetstueck-berlin.de
geöffnet Mo bis Sa 12 – 15 und 18 – 23 Uhr, Sonntags geschlossen, Reservierung empfohlen
Vegetarische Gerichte: nein
Vegane Gerichte: nein
Hauptgerichte ab 32 Euro, Gourmetstück Menü 75 Euro (4 Gänge) bis 105 Euro (7 Gänge), Lunch 17,50 Euro
Behindertengerecht: nein