Fliegen oder fliegen lassen

Die FDP hat sich als einzige Partei in Berlin für die Offenhaltung des Flughafens Tegel eingesetzt und dafür viel Zuspruch aus der Bevölkerung erhalten. Der ehemalige Fraktionschef der Liberalen in Berlin, Christoph Meyer, 41, ist Spitzenkandidat seiner Partei bei den anstehenden Bundestagswahlen und hofft mit dem Flughafen-Thema auf Wählerstimmen und damit auch auf bessere Zeiten für seine Partei. Meyer saß bereits neun  Jahre im Abgeordnetenhaus und hat mit der 1,8-Prozent-Niederlage der FDP vor sechs Jahren schon dunkle Stunden hinter sich. Berliner Leben sprach mit dem Politiker über den Wunsch, Berlins Innenstadtflughafen weiter in Betrieb zu halten. 

Sie sind Mitbegründer der Bürgerinitiative „Berlin braucht Tegel“, die verhindern will, dass der alte Innenstadtflughafen nach dem Start des künftigen Hauptstadtflughafens BER geschlossen wird. Warum hängen Sie so an dem alten Flughafen?

Tegel ist kein „alter“ Flughafen. Wenn man sich die Verkehrsinfrastruktur anschaut, ist er ein musterhaftes Beispiel für funktionierende Strukturen. Er bietet kurze Wege und ist schnell zu erreichen. Den Flughafen aufzugeben, wäre ein großer Verlust für die Stadt. 

Warum braucht Berlin mehr als einen Flughafen?

Wir können jetzt schon erkennen, dass die Kapazitäten für den BER nicht ausreichen. Die damalige Entscheidung, den kompletten Flugverkehr auf diesen einen Standort zu bündeln, ist längst obsolet. Wir brauchen Tegel als Ergänzung für den BER. Ein weiteres Argument für die Offenhaltung Tegels ist, dass es mit der Konzentration auf den einen Flughafen im Süden zu einer chaotischen Verkehrslage in der Stadt kommen würde. Es ist also nicht nur ein Luftverkehrsthema, dass dafür spricht, den Flughafen offen zu halten, sondern auch ein verkehrspolitisches Thema. Schließlich will doch jeder, der mit dem Auto unterwegs ist, zügig durch die Stadt kommen. 

Warum hat sich die Politik in Berlin damals darauf festgelegt, mit der Eröffnung eines neuen Flughafens Berlin/Brandenburg ihren innerstädtischen Flughafen aufzugeben? Und den meisten Berlinern damit längere Wege zuzumuten? 

In den 90er Jahren gab es das Konzept, Berlin zu einem Luftverkehrsdrehkreuz ausbauen. Berlin hat diese Chance dann aber verschlafen, München hat sich in den letzten Jahren neben dem Frankfurter Flughafen zum zweiten Drehkreuz entwickelt. Deutschland ist zu klein für drei Drehkreuze. Damit war die Idee eines Single-Airport-Konzepts für Berlin-Brandenburg schon vor 20 Jahren gestorben. 

Warum tut die Politik sich so schwer damit umzudenken? 

Im Grunde ist es vielen Vertretern des BER, die offiziell für einen einzigen Flughafen plädieren, klar, dass Tegel offen bleiben muss. Aber wer in der Politik gibt sich schon gern die Blöße, einen einmal gefassten Entschluss zu korrigieren, weil er sich als Fehler herausgestellt hat? Umso wichtiger ist es jetzt, dass der Volksentscheid deutlich gewonnen wird und auch die Bundestagswahl selbst als Zeichen für Tegel genutzt wird. 

Sollte der Flughafen geschlossen werden, was wäre die Bilanz? Freuen sich mehr Menschen über weniger Lärm oder trauern mehr Menschen ihrem Arbeitsplatz nach?

Der Flughafen ist nicht nur ein wichtiger Verkehrsknoten, er ist ja auch ein Arbeitgeber für viele Berliner. Deshalb glaube ich, dass sehr viele Menschen sich über den Erhalt ihres
Arbeitsplatzes in gewohnter Entfernung freuen. Die Erfahrung aus dem Volksbegehren war, dass eine Mehrheit aus der nahen Umgebung für den Erhalt plädiert hat. Die Mär von der zu großen Fluglärmbelastung für Hunderttausende ist ein politisches Argument von den Gegnern. Der Fluglärm in Tegel wird mit der Öffnung von BER zurückgehen, Flugzeuge werden leiser, und natürlich muss das Land Berlin auch bessere Lärmschutzmaßnahmen initiieren. 

Für den Weiterbetrieb haben die Initiatoren in einem Volksbegehren mehr als 200 000 Unterschriften gesammelt. Welche Möglichkeiten gibt es jetzt konkret, den Schließungsbeschluss aufzuheben? 

Nun wird ein Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl durchgeführt. Der Volksentscheid hat die gleiche Relevanz wie ein Parlamentsbeschluss in Berlin. Wir erwarten, dass die SPD, der Regierende Bürgermeister mit dem Senat, den Bürgerwillen ernst nimmt, wenn die Mehrheit für die Offenhaltung Tegels stimmt. Mit einer starken Stimme für die FDP bei der Bundestagswahl werden wird zusätzlich Druck auf den Bund aufbauen, damit auch dieser als Flughafengesellschafter für die Offenhaltung eintritt. 

Welche politischen Baustellen hat die FDP in Berlin noch im Blick? 

Wenn man sich die ersten 100 Tage Regierungsbilanz des rot-rot-grünen Senates anschaut, sieht man mehr Ideologie denn Problemlösung. Nehmen Sie die Wohnungsbaupolitik. Die Mieten explodieren, weil es zu wenig Wohnraum gibt. Der Senat setzt hier nur auf den Staat, will selbst Wohnungen bauen, statt auch privaten Wohnungsbau zu ermöglichen, um mehr Wohnungsangebot zu schaffen. Nehmen Sie die Verkehrspolitik, wo Autofahrer abkassiert werden sollen und man alle Berliner zu Fahrradfahrern umerziehen möchte. Die Digitalisierung bei den Ämtern kommt nicht voran; nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Schulpolitik sind unsere Schulen marode und abgewirtschaftet, wir wollen einen Sanierungsfahrplan für alle Schulen und mehr Freiheit für die einzelnen Schulen vor Ort, statt ewige Nivellierung nach unten im Bildungsniveau.

Wie kann die Berliner FDP dabei helfen, dass Ihre Partei es schafft, dieses Jahr wieder in den Bundestag einzuziehen? 

Die Bundestagswahl ist auch eine Abstimmung über die Offenhaltung des Flughafens Tegel. Je stärker wir auf Landesebene alle Kräfte mobilisieren, desto besser stehen auch die Chancen, Stimmen in der Bundestagswahl zu bekommen. Momentan liegen wir in den Umfragen zwischen sieben und acht Prozent. Wir sind optimistisch und werden in großer Geschlossenheit unseren Beitrag für das Gesamtergebnis der FDP leisten. 

Danke für das Gespräch.

Ina Hegenberger

 

07 - Frühjahr 2017