Koch und Künstler

Hans-Peter Wodarz hat sich als Erlebnisgastronom quer durch die Republik einen Namen gemacht. 

Angefangen hat alles mit einer Kochlehre und seiner Begegnung mit Eckart Witzigmann, der ihm seinen Weg in die Sterne-Gastronomie bereitete. Damals  kauften die Köche, die ihrer Küche mehr Raffinesse verleihen wollten, die Zutaten für ihre Essen noch in Frankreich ein. 1975 eröffnete HPW, wie er von Freunden und Kollegen genannt wird, mit seiner „Ente im Lehel“ in München sein erstes Restaurant. Ein Jahr später erhielt er seinen ersten Michelin-Stern. Aus dem Umstand, dass viele seiner Gäste, beseelt von Besuchen des benachbarten Roncalli-Zirkus, den Abend bei ihm ausklingen ließen, folgerte er, dass „nur essen“ nicht alles sein kann. Es entstand die Idee, das kulinarische Erlebnis mit dem kulturellen zu verbinden. Inzwischen war er in seine Heimatstadt Wiesbaden umgezogen, einmal im Monat veranstaltete er ein kulinarisches Varieté. Wodarz verstand sich als eine Art Gegenbewegung zu den steifen Sterne-Restaurants und zog es „fröhlich und ungezwungen“ vor. Der Michelin-Stern und prominente Gäste bedingten sich gegenseitig und machten es ihm möglich, bekannte Künstler aus Zirkus, Varieté und Travestie, Comedians, Kabarettisten und Entertainer, ganze Orchester und Tanz-Ensembles zu engagieren. Parallel zum Restaurantbetrieb organisierte er große Events wie das Bundeskanzlerfest in Bonn, die Goldene Kamera oder die Bambi-Verleihung.

Seine Freundschaft mit Roncalli-Chef Bernhard Paul ließ ihn ein weiteres Mal neu denken, das Konzept des Spiegelzeltes gefiel ihm ausnehmend gut. Zusammen mit Paul entwickelte er das Verzehr-Theater-Konzept „Panem et Circenses“, 1990 hatte das Spiegelzelt Premiere, zusammen mit Küchenchef Alfons Schuhbeck. Später ging Wodarz mit der legendären Dinner-Show „Pomp, Duck and Circumstance“ auf Tour, für die er dreimal mit dem „Five Star Diamond Award“ ausgezeichnet wurde und mit der er mehrere Jahre erfolgreich durch europäische Großstädte reiste. Nur in Amerika hatte das Konzept keinen Erfolg. 

Mittlerweile feiert das Palazzo-Spiegelzelt, für das Wodarz als Partner und Gastgeber fungiert, schon zum 11. Mal eine Premiere. 2016/17 haben die Veranstalter am Ostkreuz 26 000 Gäste gezählt, bis zu 350 Zuschauer pro Abend. Aber nach der Derniere ist vor der Premiere, die dieses Jahr erstmalig am Bahnhof Zoo in der Hertz-Allee stattfindet. 

Vom 9. November bis zum 4. März können die Zuschauer schauen und schlemmen, in diesem Jahr übrigens keine Ente. Spitzenkoch Kolja Kleeberg hat selbst Bühnenerfahrung und sieht seine Aufgabe darin, sein Vier-Gänge-Menü in die Show zu integrieren. Und dies schon im fünften Jahr. Mit ihm stemmen 80 bis 90 weitere Leute die Veranstaltung, aus bis zu 16 Nationen, hochkarätige Künstler aus ebensolchen Artistenschulen, z. B. aus Kiew und Montreal Talentscouts und Initiativ-Bewerbungen sichern die hohe Qualität der Künstler – „unsere künstleriche Leitung hat so viele Weltklasse-Artisten wie noch nie nach Berlin gebracht“, sagt Wodarz, „Restauranttheater muss immer wieder neu gedacht werden“. Der Erlebnis-Gastronom bringt seit 28 Jahren einen großen Schatz an Erfahrung mit. „Die aktuelle Show ‚Glanz und Gloria‘ ist schräg, sexy, verrückt und außergewöhnlich musikalisch, also perfekt für Berlin“, ergänzt er, „außerdem gibt es zum ersten Mal einen Reck-Act, der wie eine Liebesgeschichte daher kommt. Und wir bekommen ein ‚Original Palazzo-Zelt‘, mit sechs Säulen weniger.“ Was für die Zuschauer eine enorme Verbesserung der Sicht bedeutet. 

Aber Show ist nicht alles im Leben von Wodarz. Und ihm ist klar, dass nicht alle Menschen auf der Sonnenseite des Lebens stehen.  Im Jahr 2012 hat er für 25 Jahre karitatives Engagement den Hessischen Verdienstorden am Bande bekommen. Er war großer Unterstützer der Gorbatschow-Stiftung und beim „Weißen Ring“, in Berlin setzt er sich für verschiedene soziale Projekte ein wie für den Verein „Laughing  Hearts“ oder die Bahnhofsmission am Zoo in Nachbarschaft zum Spiegelzelt. Für die „Babylotsen“ der Charité hat er kürzlich zusammen mit Thomas Gottschalk eine Benefizgala zugunsten dieses Kinderschutz-Projektes mitorganisiert. Wodarz, selbst Vater einer sechsjährigen Tochter, plant am 27. Februar 2018 im Palazzo-Zelt im Rahmen des Feinschmecker-Festivals Eat Berlin die Benefizveranstaltung „Spitzenköche mit zehn Michelin-Sternen kochen für die Stiftung Kinderherz“.  

Annette Kraß

 

08 - Herbst/Winter 2017