Schirm mit Charme

Lampe „Greta“gefertigt aus Leinen, Design WHATS WHAT
Faltkunst

In der Stadt Odense auf der Insel Fünen feiert in diesem Jahr die Manufaktur Le Klint ihren 80. Geburtstag. Seit zwanzig Jahren ist sie zudem stolzer königlich dänischer Hoflieferant. Wie viele der schönen handgefalteten Lampenschirme aus der feinen und berühmten Werkstatt Margrethes privates Schlossleben erleuchten, wird natürlich nicht verraten. Aber sicher sind es nicht wenige, ist die Königin doch selbst kunsthandwerklich begeistert und den alten Traditionen sehr verbunden.

Anna Holmquist und Chandra Ahlsell verbinden mit“Folkform“ traditionelles Handwerk und Design. Das Falten von Lampenschirmen ist eine ihrer Spezialitäten

Längst haben aber junge Gestalter auch außerhalb Dänemarks die alte Technik des Lampenschirm-Faltens für sich entdeckt. Anna Holmquist und Chandra Ahlsell, beide 1978 geboren, sind seit 2005 ein Design-Duo. Das Atelier der Schwedinnen befindet im Zentrum Stockholms, wo sie seitdem sehr erfolgreich und immer preisverdächtig Möbel und Leuchten entwerfen. Das traditionelle Handwerk ihres Landes möchten die beiden Frauen unbedingt aufrechterhalten. Ihre herrliche rote Lampe aus zwei Plissier-Röhren beispielsweise macht ordentlich Feuer in ihrem Umfeld. In ihrer Form gleicht sie einer Skulptur. 

Für eine Ausstellung bei Svenskt Tenn, dem schönsten Einrichtungsgeschäft für allerbestes Interieur in Schwedens Hauptstadt, entwarfen und fertigten sie von Hand große und kleine Lampen im Stil der roten Lampe als Hommage an den großen Architekten und Textilgestalter Josef Frank. Lauter Steh- oder Tischlampen mit verschieden farbigen Schirmen, teils mit Franks berühmten Dessins wie „Aristida“ oder „Brazil“ bezogen. 
Einen ganzen Wald von Schirmen zeigte eine Ausstellung bei Svenskt Tenn im Frühjahr. Man spürt die Reminiszenz an berühmte Vorbilder, sieht aber die ganz eigene reizvolle Strenge im Design der jungen Frauen. „Die Falten sind bei uns etwas breiter als sonst üblich“, betont Designerin Anna Holmquist. Die Schirme werden stofflich auf Kunststoff montiert oder tatsächlich aus Papier. Die beiden Frauen gewannen gerade den skandinavischen Design-Award als Designer des Jahres 2023.

Bei Svenskt Tenn selbst gibt es seit vielen Jahrzehnten immer noch und immer wieder neue gefaltete Lampenschirme. Das Modell „Greta“ von Karin Wallenbeck, John Astbury und Bengt Brummer der Gruppe „Whatswhat“ aus dem Jahr 2010 wird in vielen Farben aus Leinen gefertigt. Mit einem Zugband fürs Einschnüren einer Art Taille versehen, bietet es Flexibilität und mehrere Möglichkeiten der Hängung. Aber auch die Entwürfe berühmter Vorbilder wie die großen Hängeleuchten der Gründerin von Svenskt Tenn Estrid Ericson von Anfang der fünfziger Jahre, die aussehen wie lebensgroße ausgestellte Plissier-Röcke, kann man immer noch kaufen. Estrid Ericson kannte auch den Dänen Tage Klint auf Fünen gut. 
 

Gefaltete Tischleuchte von Folkform

Pleats überall. Langfalten, Schuppenfalten, Kurven-Origami. Falten können so schön sein. Ob für die Tischkultur in den Adelshäusern gedacht, als Papierkunststück oder später in der Mode. Die Faltkunst ist Jahrhunderte alt. Sie kommt und geht, bis heute. Während in der Renaissance und im Barock bereits Stoffservietten kunstvoll zu Schiffen und Schlössern gefaltet wurden, erlebte in Japan das Origami seine erste Blüte, und der spanische Textildesigner Mariano Fortuny in Venedig erfand 1909 die goldene seidenplissierte Delphos-Robe.
Der dänische Architekt Peder V. Jensen-Klint in Dänemark bastelte derweil an einem faltenreichen Lampenschirm für den Fuß seiner heimischen Paraffinleuchte. Die Damen im Nachkriegsdeutschland begeisterten sich gerade für die ersten Plissier-Röcke, als Peders Sohn Tage Klint dann 1943 die Manufaktur gründete, die jetzt auf achtzig Jahre Erfolg aus Liebe zur Tradition zurückblickt. Viele der in den vierziger und fünfziger Jahren designten Lampen werden dort heute noch gefertigt und gehören zu den Bestsellern. Sie sind Klassiker, „dänisches Origami“, wie es heißt. 94 verschiedene Lampentypen lebender und legendärer Gestalter werden in der Werkstatt von lauter Frauen gefertigt

LE KLINT MODEL 180 Material: Eiche geräuchert, messing und FSC zertifiziertes Papier. Größe: H. 35 cm, D. 33 cm Preisempfehlung ex. VAT: EUR. 441,-

Bei Le Klint bereitet man sich eifrig auf das Jubiläum vor und auf Designtage in Kopenhagen. Dort wird man unter anderen die Wandlampe „The Mushroom“ zeigen, die bereits 1957 von Vilhelm Wohlert entworfen wurde, und die ikonische Leuchte, die Esben Klint 1942 schuf, kommt als hausintern überarbeitete Hängeleuchte wieder. Beide Schirme wurden erstmals mit Räuchereiche kombiniert. Alle 94 gefalteten Lichtobjekte werden in Odense handgearbeitet.

Die neueste entwarf Christian Troels. Sie ist zwei- oder dreistufig zu haben und bringt mit zwei Grüntönen und einem weißen Element ganz neu Farbe in die Le-Klint-Welt. In der stufigen Form erinnert „Plivello“ an manche Art-Deco-Deckenleuchten.  Pli heißt Falte auf Französisch. Livello ist das italienische Wort für Ebene. Falten auf jeder Ebene.

Alle Lampenschirme, die alten und die neuen und egal, wer sie auch macht, bekommen durch die Faltungen etwas Schwebendes. Das Licht wirkt delikater. Es wird gewissermaßen gebrochen und ist darum nicht so pointiert. Manche Leuchten verbreiten feines Streulicht und sorgen für viel Atmosphäre im Raum. Andere eignen sich perfekt zum Lesen. So entwickelte Issey Miyake für „Artemide“ gleich drei Leuchtkörper, die wie Skulpturen aussehen: die Mendori, Minomushi und Tatsuno-Oto shigo. Auch die Französin Inga Sempé, die auch schon mal Madame Lampion genannt wird, spielt gern mit Plissier und entwarf für Hay „Morning“. 

Das ist eine zierliche Leuchte, die auch schön auf der Anrichte oder einem Schreibtisch aussieht mit ihrem asiatisch ausgestellten an einen Reishut erinnernden kleinen Schirm. Auch als Stehleuchte sieht sie toll aus. Ein großer, gefächerter Schirm auf die Wand montiert, sorgt für Raumstimmung. Und dann sind da noch im deutschen Odenwald zwei Frauen, Lena Dieter und Laura Wagner, die „aus Liebe zu den nordischen Lampen“ das Lampen-Falten erlernt haben. Das Ergebnis kann man bei „Nachtfalter“ bestaunen.

Von der Sinnlichkeit plissierter Lampenschirme Animierte können aber auch der Anleitung von Hanne Willmann in Berlin folgen, die mit Material aus dem Baumarkt in zwei Stunden eine gefaltete Standleuchte wie eine zu groß geratene Karaffe baut. Kann jeder gern nachmachen. Da mögen die Damen im Norden bei Le Klint nur lächeln. Mehr als ein Jahr dauert es nämlich, bis eine der Kunsthandwerkerinnen dort die Technik beherrscht und zwei weitere, bis sie in der Lage ist, alle gefalteten Lampenschirme im Unternehmen herzustellen. Fertig ist dann auf jeden Fall ein Schirm mit Charme und Anmut und unvergleichlicher DNA

Inge Ahrens

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