Geduld gefragt

Auf dem Glände der ehemaligen Askania-Werke in Mariendorf soll ein neuer Modell-Campus entstehen
Schwierige Bauprojekte

Berlin ist voller interessanter Neubauten, aber es gibt auch Projekte, die in langen Warteschleifen gefangen sind oder deren Zukunft länger als gewöhnlich offen ist. Die folgenden fünf sind prominente Beispiele dafür.

Der Mäusebunker

Auch wenn die Wertschätzung für 60er-Jahre Gebäude derzeit wieder steigt, nachdem sie oft als kalt, grau und brutalistisch verschrien waren, hat es ein Gebäude aus den „Swinging Sixties“ in Berlin schwer, eine neue Zukunft zu finden: Der Mäusebunker in Lichterfelde, offiziell als „Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin“ bekannt, dämmert in einem Dornröschenschlaf dahin: Die ehemals als zentrale Tierlaboratorien der Freien Universität bekannte Betonburg steht seit 2019 leer. Der Pyramidenstumpf hat graue Zementfassaden, aus denen blaue Lüftungsrohre wie Kanonen aus einem Kriegsschiff ragen. Jede zweite Etage ist ein Technikgeschoss, die Räume sind wie eine Vielzahl kleiner Zellen und Tierställe organisiert, was eine mögliche Neunutzung erschwert.

Die ehemals als zentrale Tierlaboratorien der Freien Universität bekannte Betonburg steht seit 2019 leer

Jede zweite Etage ist ein Technikgeschoss, die Räume sind wie eine Vielzahl kleiner Zellen und Tierställe organisiert, was eine mögliche Neunutzung erschwert. In den Laboren wurden einst Tierversuche durchgeführt und neue Generationen von Versuchstieren gezüchtet. Vor elf Jahren beschloss die Charité, einen Ersatzbau in Berlin-Buch bauen zu lassen, der 2019 in Betrieb genommen wurde. Damit hat der erst 1981 fertiggestellte Mäusebunker seine Funktion verloren und die Charité reichte eine „Beseitigungsanzeige“ ein, um den Bau abreißen zu dürfen. Doch Architekturhistoriker und Denkmalpfleger jaulten zu Recht auf: Denn der von dem Architektenpaar Gerd und Magdalena Hänska entworfene wehrhafte Bau ist ein Kind seiner Zeit. Für den Landesdenkmalrat stellt er eine „Manifestation seiner Zeit dar“. Gegen die Abrisspläne wandte sich auch die „Initiative Mäusebunker“ – und tatsächlich nahm die Charité vom Abrissvorhaben Abstand. Stattdessen könnte der Mäusebunker als „Boulder-Halle“ oder „Serverfarm“ dienen, so die ersten Ideen von engagierten Bürgern. Dieses Jahr wurde der mausgraue Mäuse-Bau unter Denkmalschutz gestellt. Das Landesdenkmalamt sucht aber noch verzweifelt nach Umnutzungsmöglichkeiten, die ökonomisch und sinnvoll sind.

Steglitzer Kreisel

Nicht weit entfernt vom ehemaligen Mäuse-Haus markiert das Hochhaus „Steglitzer Kreisel“ die Schlossstraße weithin in der Silhouette der Stadt im Süden von Berlin. Einst hatte der Turm im „International Style“ eine braune Vorhangfassade im Stil der 70er-Jahre. In dem 120 m hohen Bürohaus hatte eine Zeit lang das Bezirksamt seine Büros, aber seit 2007 steht es leer. Seit 2015 soll es zum Wohnhochhaus umgebaut werden, doch das Projekt stockt. „Die Gradlinigkeit des 120 Meter hohen Turms sollte großen Glasflächen, Aluminiumpaneelen, Loggien und Balkonen mit gläsernen Brüstungen weichen.

Der 70er-Jahre-Bau Steglitzer Kreisel ist im Laufe seiner Geschichte zu einem berühmt- berüchtigten Wahrzeichen des Bezirks geworden

Doch der Umbau ruht. Es ist nicht die erste Krise des Baus der berühmt-berüchtigten Architektin Sigrid Kressmann-Zschach: Die Baukosten waren ins Astronomische gestiegen und der Bauträger meldete Insolvenz an. Schon 1977 wurde der Bau von einer Firma ersteigert, um den Rohbau fertigzustellen. Später wurde giftiges Asbest im Bürohochhaus gefunden. Der Senat beschloss 2006, das Bürohochhaus aufzugeben. Der Kreisel wurde an die CG Gruppe verkauft, die 330 Eigentumswohnungen mit Blick über die Stadt im Tower unterbringen wollte. Doch der Abschluss der Sanierung lässt auf sich warten. Die Pläne des Leipziger Architekturbüros Fuchshuber für den „Berlin Tower“ liegen nun in den Händen der Adler Group.

Haus der Statistik

Um den Umbau eines ungeliebten Hochhauses geht es auch beim ehemaligen „Haus der Statistik“ in Mitte, unweit des Alexanderplatzes. Aber hier sind es keine börsennotierten Immobilienkonzerne, die die Entwicklung vorantreiben (oder einstellen), sondern Grassroot-Initiativen: Das 1970 als Sitz der „Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik“ gebaute Scheibenhaus steht schon seit 2008 leer. Der Senat hat den Bau erworben und will ihn mit Initiativen und mehreren Verwaltungen sanieren und erweitern. Der DDR-Bau war von dem „Architektenkollektiv Manfred Hörner, Peter Senf und Joachim Härter“ entworfen worden.

Nach mehr als 10 Jahren Leerstand soll das Haus der Statistik am Alexanderplatz revitalisiert und durch Neubauten ergänzt werden

Von ihrem Entwurf wird nicht mehr viel zu sehen sein, wenn der Umbau fertig ist. Die „Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser (AbBA)“ hatte frech an der Außenfläche des Hauses ein Transparent mit den Worten: „Hier entstehen für Berlin Räume für Kunst, Kultur und Soziales“ angebracht. Seit 2015 setzt sich eine Bürger-Initiative für die Entwicklung des Areals als „Zentrum für Geflüchtete – Soziales – Kunst – Kreative“ ein. Als „Ort für Verwaltung, Kultur, Bildung, Soziales und Wohnen“ sollen die renovierten Altbauten und ergänzenden Neubauten für „Künstlerinitiativen, Bezirks-Rathaus und Wohnungen. Für den Bau eines Ämterzentrums wurde 2018 ein Wettbewerb ausgelobt, den das Büro Teleinternetcafe für sich entscheiden konnte.

Askania Werke

Für die offene Frage, was Berlin mit seinen riesigen brachgefallenen Industriearealen anstellen soll, ist das Areal der Askania Werke in der Ringstraße in Mariendorf ein gutes Beispiel. Die großen Hallen der Feinmechanik- und Optik-Firma haben erst teilweise eine neue Nutzung gefunden. In Mariendorf wurde in den späten 30er-Jahren eine große Fabrik gebaut, die Askania-Werke. Der Entwurf von Hans Altmann zeigt, dass Industriearchitektur in der Zeit des Nationalsozialismus durch Funktionalität geprägt war. Altmann entwarf sachliche Stahlbetonskelettbauten mit dunkelbraunen Klinker-Fassaden. Die denkmalgeschützten Werke wurden von Gibbins Architekten aus Hamburg für einen Hersteller von Fahrstühlen umgestaltet. Die beiden sechsgeschossigen Zwillings-Stockwerksbauten haben liegende Fensterformate und verglaste Längsfronten. Lange Muschelkalk-Rahmungen fassen sie zu horizontalen Fensterbändern zusammen. Gibbins haben ein Eingangsgebäude eingefügt, das die beiden Nachbar-Gebäude erschließt.

Mit der Modernisierung und denkmalgerechten Erweiterung der Fabrikhalle der ehemaligen Askania-Werke soll die Entwicklung des Schindler-Areals am deutschen Hauptsitz des Aufzugsunternehmens „zu einem Impulsstandort für die Hauptstadt werden“

Im Erdgeschoss grenzen Konferenzräume und eine Cafeteria an das neue Foyer. Die Fenster sind in Aufteilung und Profilierung ebenso denkmalgerecht wie die Gestaltung des Eingangsgebäudes. Das neue Eingangsgebäude verbindet das Klinker-Gebäude und einen Bürobau aus den 80er-Jahren. Ein Anbau am Giebel wurde erhalten und integriert. Er dient nun nicht nur als Auflager für eine Fahrtreppe zum ersten Obergeschoss, sondern wird zum neuen Hauptzugang des Bürogebäudes. Die historische Fassade hat Fensterfaschen aus „natursteinimitierenden“ Rahmungen aus Beton, von den Stahlfenstern mit Einfachverglasung waren nur noch wenige vorhanden. Bei der Sanierung wurde die Fassade mit Heißdampf gereinigt, einzelne Klinker wurden ausgetauscht und neu verfugt. Der Fugenmörtel passt in Farbton zum Bestand. Die Außenwände haben eine Innendämmung bekommen. Altmanns Architektur strahlt in neuem Glanz. Die Shed-Hallen dahinter bieten noch viel Platz für neue Ideen.

Ocean Berlin

An der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg ist derzeit eine neue Attraktion in Planung: Das „Ocean Berlin”, ein Aquarium mit Erlebnisbereichen, die „Blauer Planet“, „Nordsee“, „Rotes Meer“, „Great Barrier Reef“, „Mangroven“ heissen sollen. Von 3D-Kino, Taucherbereich, Bootsplattform und Zuchtbereich ist in dem Konzept die Rede.

Das größte Wasserbecken im geplanten „OCEAN BERLIN“ wird ca. acht Meter breit und 15 Meter lang werden – und damit doppelt so groß wie das Becken, wie man es hier im Unterwasser-Observatorium in Eilat, Israel sehen kann

Geplant ist auch ein siebenstöckiges Hotel, das in den oberen Stockwerken mit dem Aquarium verbunden ist und über 169 Doppelzimmer und ein Restaurant mit Dachterrasse, ein Bistro, ein Café und einen Biergarten verfügt. Das Konzept des Wasserhauses, das 2016 als Grundlage für den Verkauf des Grundstücks diente, sah auch Büros und Veranstaltungsräume vor. Zwar protestierten mehrere Bürger-Initiativen gegen den Bau, die Genehmigung wurde aber erteilt.

Während andernorts noch um neue sinnvolle Nutzungen für bestehende Gebäude gerungen wird, werden neue Attraktionen gebaut.

Ulf Meyer

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